Die Knopfmacherin
Werkstatt. Die Hoffnung, Bernhard dort anzutreffen, erfüllte sich nicht. Wahrscheinlich bestand Meister Ringhand darauf, dass der Geselle ihm Gesellschaft leistete. So leise wie möglich schlich sie an der Küche vorbei und strebte dann der Kammer zu, in der Körbe und andere Dinge aufbewahrt wurden.
Als sie um die Ecke bog, kam ihr Katharina entgegen. Beinahe erschrocken prallte Melisande zurück, dann fasste sie sich wieder.
Offenbar war die Besucherin gerade oben gewesen. Was hat sie da zu suchen?, fragte sich Melisande. War sie etwa in Bernhards Kammer?
Katharina musterte sie eisig, gab aber keinen Ton von sich. Die Ohrfeige hatte sie ganz bestimmt noch nicht vergessen. Melisande sah ihr nach, als sie mit hocherhobenem Haupt an ihr vorbeirauschte. Eine seltsame Unruhe überkam sie. Nachdem Katharina um die Ecke gebogen war, schoss Melisande ein Verdacht siedend heiß durch alle Glieder. Hat sie in meinen Sachen geschnüffelt?, fragte sie sich. Katharina war ihr wie eine Natter vorgekommen, die nur darauf wartete, endlich zuzubeißen.
Rasch und mit bangem Herzen erklomm sie die Stiege, stellte den Korb in den Gang und eilte zu ihrer Kammertür. Wahrscheinlich waren ihre wenigen Habseligkeiten kreuz und quer durch den Raum verteilt. Mit unbändigem Zorn riss sie den Türflügel auf.
Doch nichts hatte sich verändert. Alles stand noch an seinem Platz.
Melisande atmete auf. Katharina mag vielleicht ein Biest sein, aber ich sollte nicht ganz so arg von ihr denken, schalt sie sich. Was sollte sie schon mit den ärmlichen Habseligkeiten eines Lehrlings anfangen? Ich habe ja nicht einmal schöne Kleider oder Kämme …
Erleichtert schloss sie die Tür wieder und brachte den Korb zurück in die Waschküche.
Dort wartete Bernhard bereits auf sie. »Du bist noch nicht umgezogen? Wir wollen gleich zum Dom«, sagte er.
Melisande sah sich ein wenig unbehaglich um, dann flüsterte sie: »Kommen die beiden etwa mit?«
Bernhard nickte. »Ja, was denkst du denn, warum ich mich hier in der Waschküche versteckt habe!«
»Will sie dich denn noch immer mit ihrer Tochter verkuppeln?«
»Gottlob nicht. Sie hat eine bessere Partie für Katharina gefunden. Jedenfalls nach dem, was ich gerade belauscht habe.«
»Wohl sicher ein anderer Knopfmacher?«, fragte Melisande.
Bernhard schüttelte den Kopf. »Nein, wahrscheinlich ein hoher Herr, der ihr weitaus mehr Vorteile einbringt.«
Melisande entschlüpfte ein erleichterter Seufzer. Vielleicht lässt sie sich dann nicht mehr so oft hier blicken, hoffte sie stumm. Und noch aus einem anderen Grund war sie froh.
Seit der Nacht, die sie in seiner Kammer verbracht hatte, schlichen sich ihr immer wieder Gedanken in den Sinn, die sie nie zuvor gehabt hatte. Gedanken, wegen denen sie sich früher geschämt hätte.
Nicht, dass Bernhard etwas Unanständiges versucht hätte! Nachdem er die ganze Nacht über ihren Schlaf gewacht hatte, hatte er sie rechtzeitig geweckt, damit sie in ihre Kammer zurückkehren konnte. Seitdem malte Melisande sich aus, wie die Freuden zwischen Mann und Frau, die sie nur vom Hörensagen kannte, aussehen würden, wenn sie sie mit Bernhard erlebte.
»Nun beeil dich!«, schreckte der Junge sie aus ihren Gedanken, während er ihr den Korb aus der Hand nahm. »Ich warte hier auf dich.«
»Solltest du nicht besser …«, fragte Melisande errötend.
Bernhard legte ihr den Finger auf den Mund und schickte mit der Berührung flüssiges Feuer durch ihr Blut. »Wir werden allein gehen, so habe ich es mit dem Meister besprochen. Er weiß von Margas Abneigung dir gegenüber und wird sie uns schon vom Hals halten. Und jetzt geh.«
Rasch eilte Melisande an der Küchentür vorbei und die Stiege hinauf. Mit der Gewissheit, dass Katharina nicht in ihrer Kammer gewesen war, tauschte sie ihr altes Kleid gegen das neue aus, setzte ihre Haube auf und ging wieder nach unten. Wie sie hören konnte, hatten die anderen das Haus bereits verlassen.
Ein schrilles Lachen ertönte, das wohl von Katharina stammte. So lachten Mädchen nur, wenn sie es auf einen Burschen abgesehen hatten. Sie unterdrückte ihren Zorn und trat ebenfalls vor die Tür, wo sie feststellte, dass Katharina neben ihrer Mutter und nicht wie erwartet neben Bernhard stand.
»Ah, du bist ja noch da«, rief Marga mit gespielter Überraschung aus, während sie Melisande boshaft anfunkelte.
Das Mädchen straffte sich und erwiderte freundlich lächelnd: »Natürlich, Frau Ringhand, schließlich wäre es dumm,
Weitere Kostenlose Bücher