Die Knopfmacherin
um die Ecke bog, kam ihr Bernhard entgegen. Sein Kopf war hochrot.
»Wo warst du? Katharina meinte, du seist mit einem Mann weggegangen.«
War er eifersüchtig? Jedenfalls schien diese giftige Schlange ihre Augen überall zu haben. Dass die Nichte des Meisters sie mit Joß Fritz gesehen hatte, erfüllte Melisande mit Unbehagen.
»Ja, ich habe eine wichtige Nachricht erhalten.«
»Und welche?« Bernhards Augen funkelten wütend. Offenbar hatte ihm Katharina noch viel mehr gesagt.
»Sie haben meine Schwester ins Hurenhaus gebracht.«
Schlagartig wich die Farbe aus Bernhards Gesicht. »Das ist nicht möglich! Wer war der Kerl?«
Melisande blickte sich um. Sie hatte Joß Fritz zwar versprochen, seinen Namen nicht zu nennen, aber um den boshaften Verdacht, den Katharina geschürt hatte, zu zerstreuen, antwortete sie: »Es war der Mann, der bei meinen Eltern Unterschlupf gesucht hat. Er hat meine Schwester gesehen und wiedererkannt, als er im Hurenhaus war.«
Obwohl sich Bernhards Lippen bewegten, brachte er keinen Ton hervor.
»Ich muss Alina unbedingt dort rausholen!«, sagte Melisande nun.
»Du kannst nicht einfach so ins Hurenhaus gehen!«, presste Bernhard entsetzt hervor.
»Warum denn nicht? Die Hurenwirtin hält meine Schwester dort fest!«
»Die Wirtin hat mit Sicherheit Männer, die rund um die Uhr aufpassen, dass keines der Mädchen verschwindet.«
Abscheu schnürte Melisande die Kehle zusammen. Was haben die Kerle dort mit ihr wohl angestellt?, fragte sie sich. »Aber Alina ist doch noch ein Kind!« Tränen schossen ihr in die Augen, dann fiel sie Bernhard schluchzend um den Hals.
Er fing sie auf und strich beruhigend über ihren Rücken. Wie würde es mir ergehen, wenn es meine Schwester wäre?, fragte er sich, während Melisande herzzerreißend weinte. Er hatte ebenfalls Geschwister, die alle im fernen Köln lebten. Seine beiden Schwestern waren mit Handwerkern verheiratet, und eine von ihnen hatte bereits eigene Kinder. Was, wenn eine von ihnen in ein Hurenhaus verschleppt würde? Auf einmal stiegen ihm selbst Tränen in die Augen.
»Ich werde dir helfen«, sagte er leise in Melisandes Haar. »Das habe ich dir doch versprochen.«
Hufgetrappel schreckte sie auf. Als Melisande aufblickte, sah sie drei Männer die Straße entlangpreschen.
»Das sind die Kerle, denen wir am Tor begegnet sind«, flüsterte sie entsetzt. »Die nach Joß Fritz suchen.«
Bernhard blickte sich um, entließ sie aber nicht aus seiner Umarmung.
»Vielleicht haben sie ihn in der Menge erkannt.« Sorge überkam Melisande. Was, wenn sie den Aufständischen erwischten?
»Wir sollten jetzt besser zurückgehen«, vertrieb Bernhard ihre trüben Gedanken. »Die Messe fängt bald an, und das willst du dir doch nicht entgehen lassen, oder?«
Joß Fritz presste sich gegen die Hauswand. Seine Kehle war wie ausgetrocknet, und der Schweiß auf seiner Haut fühlte sich an wie eine Armee von Flöhen, die es sich dort gemütlich gemacht hatte.
Gerade noch rechtzeitig hatte er sich vor den Reitern in Sicherheit bringen können. Natürlich war er unter der Gugel kaum zu erkennen, doch es war durchaus möglich, dass sie ihn im Gespräch mit dem Mädchen beobachtet hatten.
Der Anblick der Männer war ein Schock für ihn gewesen. Hatte er richtig gesehen? War einer von ihnen nicht der Landsknecht, den der alte Hans ihm vorgestellt hatte?
Fritz schloss die Augen und rief sich das Bild des Mannes, dessen Hand er bei der letzten Zusammenkunft geschüttelt hatte, ins Gedächtnis.
Ja, kein Zweifel. Es war dasselbe raue Gesicht, derselbe Haarschopf. Nur die Kleider wirkten jetzt wesentlich gepflegter. Der Landsknecht war in Begleitung einiger Reiter Ludwigs von Helmstatt, unter denen er auch Lohweihe ausgemacht hatte, dessen Gefolgsleute das Haus des Knopfmachers überfallen hatten.
Verdammter Judas, dachte Joß, als er die Augen wieder öffnete. Du hast uns an den Bischof verkauft. Und zum Dank hat er dich in seine Bande von Mördern aufgenommen.
Sobald der Hufschlag verklungen war, löste er sich wieder von der Wand.
Nach dem Martinsgottesdienst bedeutete der Vertraute des Grafen Lux Rapp, ihn zu begleiten. Noch einmal blickte der Landsknecht auf den prachtvollen Altar, von dem aus der Bischof die Messe gelesen hatte, als wäre es das letzte Mal, dass er den Würdenträger zu Gesicht bekam. Dann schloss er sich seinem Bewacher an. Er konnte sich denken, wohin dieser ihn führen würde. Der Bischof verlangte gewiss Rechenschaft über
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