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Die Knopfmacherin

Die Knopfmacherin

Titel: Die Knopfmacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corinna Neuendorf
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Hand gegangen war? Nein, das konnte nicht sein. Sie war doch zum Apotheker geschickt worden. Dann vielleicht ihre Schwester?
    »Wach ist sie auch noch!«, schnauzte der Anführer seine Begleiter an. »Stopft ihr gefälligst das Maul, ehe sie die ganze Stadt aufweckt.«
    Ein dumpfer Schlag ertönte und das Mädchen verstummte augenblicklich.
    »Was soll eigentlich mit ihr geschehen?«, fragte einer der Männer. Die Gier in seiner Stimme war unüberhörbar und erschreckte Joß. Er wusste nur zu gut, was solche Männer taten, wenn sie ein wehrloses Frauenzimmer bei sich hatten.
    »Wir nehmen sie erst mal mit nach Speyer«, entgegnete der Anführer.
    »Wir könnten uns vorher ein wenig mit ihr vergnügen«, schlug der andere Mann vor.
    »An der ist viel zu wenig dran«, tönte es von einem dritten. Er war einer von denen, die das Mädchen offenbar wieder gesichert hatten, denn zwischen seinen Worten erklangen Schritte. »Da nehme ich mir lieber eine dralle Hure, wenn ich in der Stadt bin.«
    »Stimmt, ich mag auch keine Kinder«, sagte ein weiterer. »Die Kleine ist noch eins, hat nicht mal richtige Titten. Du kommst geradewegs in die Hölle, wenn du es mit ihr treibst.«
    »Das Mädchen wird nicht angerührt!«, schnarrte der Anführer. »Für den Fall, dass wir sie verkaufen, muss die Ware sauber bleiben, verstanden?«
    Der Mann, der sich mit der Knopfmachertochter vergnügen wollte, stieß einen missbilligenden Laut aus, wagte es aber nicht, Widerworte zu geben. Auch er stieg nun wieder aufs Pferd, dann setzte sich der Trupp in Bewegung.
    Joß Fritz atmete auf und dankte im Stillen seinem Schutzengel. Doch als die Reiter fort waren, legte sich das Gewissen wie ein Stein auf seine Seele. Dass sie eines der Mädchen mitnehmen würden, hätte er nicht erwartet. Und was war mit der älteren Schwester?
    Eigentlich bräuchte mich das nicht zu kümmern, dachte er. Wenn der Morgen graut, verschwinde ich aus der Stadt. Während er sich gegen die kalten Steine der Kirchmauer lehnte, wusste er, dass dies nicht so einfach werden würde. Wie soll ich der Kleinen helfen? Wie nur?
    Eine Antwort wollte ihm nicht einfallen. Während die Anspannung aus seinem Körper wich, fielen ihm die Augen zu, und wenig später trug ihn der Schlaf für ein paar Stunden fort aus dem irdischen Jammertal.
    Verzweifelt schluchzend hämmerte Melisande gegen die Tür des Nachbarhauses. Der Mond stand hoch über ihr und beleuchtete jede Einzelheit auf der verlassenen Straße.
    Hinter den Fensterläden war zwar alles dunkel, aber vielleicht waren der Tuchmacher und sein Weib vom Lärm der Pferde aufgeschreckt worden und noch nicht wieder in den Schlaf gefallen.
    Dass niemand versucht hatte, ihren Eltern zu Hilfe zu kommen, schmerzte Melisande sehr. Offenbar waren sich die Menschen in Udenheim letztlich selbst am nächsten.
    Als ihre Fäuste vom Hämmern bereits schmerzten, regte sich endlich etwas. Schritte ertönten, dann flog ein Fensterladen auf.
    »Verdammt, was soll das? Wer hämmert da gegen meine Tür?«
    Tuchmacher Markward standen die Haare zu Berge. So verschlafen, wie er aussah, war er wohl nicht von dem Krach auf der Straße geweckt worden.
    »Verzeiht, Meister Markward«, presste Melisande schluchzend hervor. »Meine Eltern sind überfallen worden. Ich brauche Hilfe.«
    Der Mann blickte sie ungläubig an.
    »Überfallen? Von wem?«
    »Das weiß ich nicht. Ich sollte zu Meister Colenius laufen, um eine Arznei zu holen, und als ich wiederkam, habe ich die Küche verwüstet vorgefunden und meine Eltern …« Melisandes Stimme brach. Tränen schossen in ihre Augen.
    Markward sah aus, als würde er sich fragen, ob sich Melisande einen Scherz mit ihm erlaubte. »Warte einen Augenblick, ich komme gleich raus.«
    Der Fensterladen wurde zugeschlagen. Mit zitternden Knien lehnte sich Melisande an die Hauswand. Die wilden Rosen am Gitter neben ihr waren verwelkt, ein faulig süßlicher Geruch ging von den Blättern und Hagebutten aus.
    Melisandes Kopf war wie leer gefegt. Während sie darauf wartete, dass sich im Haus etwas regte, lauschte sie dem Pochen ihres Herzens und versuchte, den ziehenden Schmerz in ihrer Brust zu ignorieren.
    Was soll nun werden? Wie soll ich Alina finden? Wenn ich ein Pferd hätte, könnte ich nach ihr suchen, aber …
    Schritte polterten zur Tür. Ein Riegel wurde zurückgeschoben, dann erschien der Tuchmacher. Das Hemd hatte er nachlässig in den Hosenbund geschoben, das Wams stand ein Stück weit offen und war falsch

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