Die Knopfmacherin
schwaches Glimmen war geblieben.
Scherben knirschten unter ihren Füßen, als sie zur Feuerstelle ging. Melisande roch Blut und wimmerte auf. Dann zwang sie sich zur Ruhe und entzündete einen Holzspan an der Feuerstelle. In der Nähe der Esse fand sie eine Kerze und wartete geduldig, bis sich die Flamme am Docht emporschlängelte. Der Lichtschein ließ einen der Fremden erkennen, die sie vor wenigen Stunden aufgenommen hatten. Seine Augen waren in stummem Entsetzen aufgerissen, von seinen Wangen perlte dunkles Blut.
Vor Schreck ließ Melisande beinahe die Kerze fallen. Obwohl sie hastig atmete, kam es ihr plötzlich so vor, als könnten ihre Lungen keine Luft mehr aufnehmen.
»Mutter?«, fragte sie ängstlich in die Dunkelheit. »Vater?«
»Melisande.«
Das war ihr Vater, der da stöhnte! Das Mädchen hielt kurz den Atem an, dann fragte es: »Vater, wo seid Ihr?«
Fieberhaft leuchtete sie in die Ecken der Küche, doch alles, was sie entdeckte, waren umgeworfene Stühle und zerbrochene Schalen.
»Neben der Treppe«, hallte es schwach aus dem Durchgang.
Melisande stürzte zu ihm. Der Lichtschein streifte etwas Dunkelrotes. Mutters Rock!, dachte sie entsetzt.
»Hier«, stöhnte es leise. Melisande wandte sich um. Als sie den dunklen Blutfleck auf dem Hemd ihres Vaters sah, schluchzte sie auf.
»Vater, was ist geschehen?«, fragte sie unter Tränen.
Adam streckte ihr eine Hand entgegen. Die Tochter ergriff und küsste sie. Tränen rannen ihr übers Gesicht und den Handrücken, wo sie das Blut abwuschen.
»Sei still, mein Kind«, flüsterte Bruckner. »Du musst deine Schwester retten. Die Männer haben geglaubt, dass ich tot sei, aber ich habe gehört, was sie gesagt haben …« Er hielt mit schmerzverzerrtem Gesicht inne.
»Wer hat Euch das angetan?« Melisandes Stimme versagte beinahe.
»Ihre Gesichter habe ich nicht gesehen, aber sicher waren es Leute des Bischofs. Sie haben nach Joß Fritz und seinem Freund gesucht.«
»Joß Fritz?«
»Der Fremde, der unversehrt war.« Der Sterbende öffnete die Hand. »Dieser Knopf gehört einem der Mörder.«
Melisande nahm ihn an sich. Blutschlieren bedeckten die goldfarbene Oberfläche und betonten die kunstvollen Verzierungen.
»Bitte versprich mir, dass du deine Schwester finden wirst. Rette sie aus den Fängen dieser Männer.«
Melisande wimmerte schmerzerfüllt auf. »Ich verspreche es, Vater, ich verspreche es.«
Als hätte er nur darauf gewartet, sank Adam Bruckners Kopf zur Seite. Seine Hand entglitt ihrem Griff und fiel schlaff auf seine geschundene Brust.
»Nein!« Melisande zog ihn an sich und küsste seine Wangen, als könnte sie ihn auf diese Weise wieder ins Leben zurückholen. Dann fiel der Lichtschein auf seine starren Augen, und das Mädchen wusste, dass seine Seele fort war.
»Ich werde sie finden«, flüsterte sie betäubt, während ihr unaufhörlich Tränen über die Wangen rannen. »Ich werde Alina finden und dafür sorgen, dass Eure Mörder bestraft werden.«
Hufgetrappel schreckte Joß Fritz auf. Noch bevor er die Augen richtig offen hatte, wusste er bereits, dass dies die Männer waren, die nach ihm gesucht hatten. Durchkämmten sie jetzt die ganze Stadt?
Obwohl alles in ihm danach schrie, davonzulaufen, kauerte er sich tiefer in die Nische und blickte in Richtung der Reiter, die kaum mehr als schwarze Schemen in der Dunkelheit waren. Mondlicht blitzte kurz in den Geschirren der Tiere auf.
Vielleicht bemerken sie mich nicht. Immerhin tragen sie keine Fackeln bei sich, überlegte er. Der Gedanke beruhigte ihn aber nicht sonderlich. Das Herz schlug ihm bis zum Halse, und seine Gliedmaßen zitterten. Dass die Männer beim Kirchhof anhielten, gefiel ihm gar nicht.
Was für ein elender Bluthund ist da bloß hinter mir her?, fragte sich Joß, während sich seine Eingeweide anfühlten, als würde ein Messer in ihnen herumgedreht. Könnte es sein, dass der Teufel auf seiner Seite ist? Das würde zu diesen scheinheiligen Pfaffen passen.
»Ich hab doch gesagt, ihr sollt sie ordentlich festbinden«, murrte der Anführer nun, während zwei andere Männer absaßen und zu einem der Pferde gingen.
Sie? Wen hatten sie bei sich?
Joß Fritz kniff die Augen zusammen. Erkennen konnte er zunächst nichts. Doch dann hörte er ein leises Wimmern.
»Bitte lasst mich gehen. Ich habe nichts Unrechtes getan.«
Die Worte fuhren Joß durch Mark und Bein. Sie hatten eines der Mädchen mitgenommen? Vielleicht sogar die hübsche Blonde, die ihren Eltern zur
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