Die Knopfmacherin
Gasse ein, wich aber gleich wieder zurück, denn das Fuhrwerk, das ihr entgegenkam, passte gerade so durch den schmalen Durchgang. Der Wagenlenker brummte etwas Unverständliches, als er an ihr vorbeirollte.
Als sie die Hälfte der Gasse hinter sich gebracht hatte, schritt ein Mann auf sie zu. Seine Beinkleider waren schmutzig, sein Wams und sein Mantel mochten früher einmal prachtvoll gewesen sein, doch diese Zeit schien lange zurückzuliegen.
»Verzeiht, mein Herr«, sprach Melisande ihn dennoch an.
»Was gibt es denn, schönes Kind?«
»Wisst Ihr, wo ich den Knopfmacher finden kann?«
Der Mann grinste sie lüstern an. »Brauchst wohl ein paar neue Knöpfe für ein Gewand, was? Dabei sind die Weiber doch am schönsten, wenn sie nichts am Leib tragen.«
Panik wallte in Melisande auf. Erschrocken stellte sie fest, dass gerade niemand in der Nähe war, der ihr zu Hilfe hätte eilen können.
»Ich bin keine von denen!«, fuhr sie ihr Gegenüber an und ballte die Fäuste. »Und ich wäre Euch dankbar, wenn Ihr mir meine Frage beantworten würdet!«
Die schroffen Worte zeigten Wirkung bei dem Fremden. »Schon gut, schon gut, Mädchen«, sagte er und hob beschwichtigend die Hände. »Folge dieser Gasse bis zum Ende und biege dann links ab. Dann solltest du das Zunftschild gleich sehen.«
Melisande bedanke sich und bog in die genannte Straße ein. Tatsächlich erkannte sie das Schild über der Tür schon von weitem. Ein Gedanke ließ sie jedoch innehalten. Was, wenn er den Knopf nicht erkennt?, überlegte sie.
Abwarten, sagte sie sich im nächsten Augenblick und schritt voran.
Vor dem hohen Tor, durch das sie auf den Hof gelangte, blieb sie stehen und lauschte. Stimmen drangen durch die geöffneten Fensterläden. Wenn der Knopfmacher einen Kunden hat, bleibt mir ein bisschen Zeit, mir die passenden Worte zu überlegen, dachte sie, gab sich einen Ruck und trat unter dem Gebimmel der Türglocke ein.
Als sie dem schmalen Weg zur Haustür folgte, erblickte sie hinter einem der Fenster das Gesicht eines jungen Mannes. Wahrscheinlich hatte ihn das Läuten von seiner Arbeit aufgeschreckt.
Ist der Knopfmacher noch so jung?, fragte sich Melisande, doch da hatte er sich schon wieder zurückgezogen.
Die Haustür stand einen Spaltbreit offen. Als das Mädchen sie ganz aufstieß, strömte ihm der Geruch von Holz und Kräutern entgegen. In den Tontöpfen auf der Fensterbank wuchsen Thymian und Rosmarin.
Melisande gingen die Augen über, als sie die Werkstatt von Meister Aloisius Ringhand betrat. Die Einrichtung kam der eines Kaufmannshauses gleich, überall schimmerten goldfarbene Beschläge auf edlen Hölzern. Die Fliesen auf dem Boden waren zu einem kunstvollen Mosaik zusammengefügt. Ein kostbarer Wandteppich zeugte von dem Wohlstand des Knopfmachers.
Der junge Meister, der leicht an der vorgebundenen Schürze zu erkennen war, unterhielt sich gerade mit einem Mann, dessen Kleidung ihn als Patrizier auswies. Fasziniert betrachtete Melisande den blauen Samt seines Mantels, die eng anliegenden grauen Beinkleider und die teuren Lederschuhe, deren Spitzen leicht nach oben gebogen waren.
Solche Kundschaft hatte sich bei ihnen nicht eingestellt.
»Ihr möchtet also jeweils vier Sätze Goldknöpfe und drei Sätze aus Silber«, las der Knopfmacher von dem Pergament ab, auf dem er sich gerade eine Notiz gemacht hatte. »Dazu einen Satz mit Edelsteinen für Eure Tochter.«
»Und dass es ja besonders schöne Exemplare werden!«, ermahnte der Kunde den Mann. »Meine Tochter wird in ein reiches Haus einheiraten, da soll sie nur das Beste mit auf den Weg bekommen.«
»Ihr werdet an der Qualität nichts auszusetzen haben, Meister Wiebenbroich, darauf gebe ich Euch mein Wort.«
Der feingekleidete Mann schien dem Knopfmacher zu glauben, denn er nickte und reichte ihm einen kleinen Lederbeutel. »Hier die vereinbarte Anzahlung. Das Geld dürfte reichen, um die nötigen Rubine aus dem Morgenland einführen zu lassen.«
»Ihr werdet nichts anderes bekommen.« Damit begleitete der Knopfmacher den Mann aus dem Raum.
Melisande fühlte sich wie erschlagen. Rubine aus dem Morgenland! Kein Wunder, dass der Knopfmacher wie ein reicher Kaufherr leben konnte.
»Was suchst du hier, Mädchen?«, fragte der Mann, als er wieder zur Tür hereinkam. »Wenn du Knöpfe kaufen willst, brauchst du Geld.«
»Ich bin nicht hier, weil ich etwas kaufen will«, antwortete Melisande. »Ich möchte nachfragen, ob Ihr für einen Lehrling Verwendung
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