Die Knopfmacherin
sie wohl gehofft hatte, ihr die Arbeit zu verderben.
»Wo sollte ich denn sonst sein?«, fragte Melisande und bemühte sich, ruhig zu bleiben. Allein Katharinas Auftreten weckte in ihr den Wunsch, ihr jedes Haar einzeln auszureißen. »Ich bin eine Vereinbarung mit dem Meister eingegangen. Du solltest wissen, dass Verträge per Handschlag gültig sind.«
Katharina verzog den Mund, als hätte sie Schlehbeeren gegessen. »Du schwingst große Reden, aber das wird dir vergehen, sobald meine Mutter die Werkstatt übernommen hat.«
Melisande ignorierte das unangenehme Ziehen in ihrer Magengegend.
»Deine Mutter will die Werkstatt übernehmen? Davon hat uns der Meister aber nichts erzählt.«
»Eines Tages wird es so kommen«, entgegnete Katharina siegessicher. »Und gleich als Erstes werden wir dich rauswerfen.«
»Warum wollt ihr das tun?«, fragte Melisande weiter, während sie gegen ihre Tränen ankämpfte. So viel grundlose Missgunst hatte sie ja noch nie erlebt! »Ich habe dir und deiner Mutter nichts getan.«
»Frauen gehören nicht in eine Werkstatt«, meinte Katharina schnippisch. »Du hast dich hier einfach reingeschlichen, aus wer weiß welchen Gründen. Vermutlich hoffst du, eines Tages die Werkstatt zu bekommen, aber das wird nicht geschehen.«
»Ich habe nicht vor, die Werkstatt zu übernehmen. Meine Gründe, hier zu sein, sind ganz andere.«
»Ach, bist du etwa ein Bastard meines Onkels? Oder seine Hure?«
Das war zu viel für Melisande. Blitzschnell sprang sie auf Katharina zu und versetzte ihr eine Ohrfeige. »Niemand verbreitet so etwas über mich!«, fuhr sie das Mädchen an. »Ich bin die Tochter eines ehrenwerten Handwerkers und brauche mir so etwas nicht von dir sagen zu lassen!«
Katharina fuhr mit der Hand an ihre Wange. Melisande war sicher, dass sie jeden Augenblick in gekünsteltes Weinen ausbrechen würde, stattdessen funkelte die andere sie nur an.
»Das wirst du bereuen!«
Melisande stemmte die Hände in die Seiten. Der Hass brannte wild in ihrer Brust, als sie entgegnete: »Lauf ruhig zu deiner Mutter und beschwer dich. So, wie es sich anhört, ist dein Onkel nicht gerade grün mit ihr.«
Jetzt nahm das Mädchen die Hand wieder herunter. Der Hass in ihren Augen glomm noch immer.
»Katharina!«, ertönte da eine Frauenstimme hinter ihr.
Melisande rechnete fest damit, dass Marga hereinstürmen und ihre Tochter ihr brühwarm auftischen würde, was zwischen ihnen geschehen war. Doch die Schwester des Meisters hielt sich im Hintergrund. Katharina fixierte ihr Gegenüber noch einmal hasserfüllt, dann wirbelte sie herum.
Erst jetzt bemerkte Melisande, dass sie die ganze Zeit über die Luft angehalten hatte. Laut atmete sie aus, dann lauschte sie. Würde das große Donnerwetter noch kommen? Marga konnte jeden Augenblick zurückkehren und ihr wegen der Ohrfeige die Hölle heißmachen.
Doch alles blieb still, bis das Gartentor zuklappte.
Einen Moment lang stand sie tief durchatmend neben der Werkbank, dann, von einem plötzlichen Impuls getrieben, stürmte sie aus der Werkstatt. Sie konnte auf einmal nicht mehr glauben, dass sie Katharina geohrfeigt hatte! Gewiss würde das Mädchen sich an ihr rächen. In irgendeiner Weise.
Auf dem Weg zum Stall kam ihr Bernhard entgegen.
Erbleichend starrte er sie an. »Hat sie dir etwa gesagt, dass du mich holen sollst?«
»Nein, sie sind schon weg«, antwortete Melisande.
»Warum schaust du dann drein, als wärst du eben dem Leibhaftigen begegnet?«
»Weil …« Melisande senkte den Blick. »Ich habe mich mit Katharina gestritten.«
»Was?« Bernhard machte große Augen. »Habe ich dir nicht geraten, dich vor ihr in Acht zu nehmen? Sie ist eine falsche Schlange.«
»Ja, du hast mich gewarnt. Aber ich habe ihre Nähe nicht gesucht. Sie ist zu mir in die Werkstatt gekommen und …«
»Was und?«
»Sie hat behauptet, ich hätte mich beim Meister eingeschlichen, weil ich die Werkstatt will. Dann hat sie mir unterstellt, sein Bastard oder seine Hure zu sein. Da habe ich mich vergessen und ihr eine Maulschelle verpasst.«
Bernhard wirkte wie zur Salzsäule erstarrt.
»Ich weiß, dass es ein Fehler war, aber ich muss mich nicht beleidigen lassen!«, verteidigte sich Melisande trotzig.
»Hat sie es ihrer Mutter gesagt?«
Melisande schüttelte den Kopf. »Nein, sie meinte nur, dass ich es bereuen werde. Aber wie soll es denn noch schlimmer kommen, wenn sie mir schon angedroht hat, mich rauszuwerfen, sobald ihre Mutter die Werkstatt
Weitere Kostenlose Bücher