Die Köchin und der Kardinal
die sichtlich ergriffen war. Elisabeth hatte Tränen in den Augen. Dass der Kardinal es wagte, sich so weit aus dem Fenster zu lehnen! Musste er damit nicht den Zorn des Papstes auf sich ziehen? Zumal er ein Amt bekleidete, das vom Papst selbst unmittelbar abhängig war. Nach dem Ende des Gottesdienstes drängten sich die Menschen um den Kardinal, um den Saum seines Gewandes und seinen Ring zu küssen. An diesem Abend wurde es recht spät, bis der Kardinal und Elisabeth nach Hause kamen. Ein Diener erwartete sie aufgeregt. Er hielt einen Brief in der Hand. Der Kardinal nahm ihn entgegen und las vor: »Ihre Hoheit der Kardinal sollte seine Zunge hüten. Es gibt nur eine wahre und selig machende Kirche. Sollte er dem zuwiderhandeln, könnte etwas geschehen, was nicht mehr gutzumachen ist!«
»Wer hat dieses Schreiben gebracht?«, fragte der Kardinal.
»Es war ein halbwüchsiger Junge, der nicht wusste, wer sein Auftraggeber war«, meinte der Diener.
»Du musst vorsichtig sein, Thomas«, beschwor Elisabeth den Freund. »Es war eine sehr gute Predigt, aber du musst immer gewärtig sein, dass der Feind mithört.«
»Ich lasse mich nicht mehr einschüchtern«, sagte der Kardinal. »Was ich weiß, das weiß ich, und das kann mir keine Kirche der Welt verbieten!«
In der nächsten Zeit waren Elisabeth und die Freiburger Bürger damit beschäftigt, Nahrung herbeizuschaffen. Aber die Auswirkungen der Belagerung begannen sich schon zu zeigen. Ende Juni verteuerten sich die Lebensmittel empfindlich, schließlich musste ein riesiges Belagerungsheer ernährt werden. Elisabeth sparte beim Kochen, wo sie konnte. Es gab zwar immer noch Getreide, Mehl, Gemüse, Fleisch und Wein, doch hatten viele nicht genügend Geld, um sich zu versorgen. Für die Armen und Hungernden richtete Elisabeth zusammen mit Melvine eine tägliche Suppenküche ein, in der sie Linsen mit Speck ausgaben, für ein paar Kreuzer oder auch umsonst. Elisabeth merkte aber bald, dass es ein Tropfen auf den heißen Stein war. Daneben wartete sie sehnsüchtig auf ein Zeichen von Jakob.
Auf der Festung Breisach versuchte Jakob nach Möglichkeit, Agnes aus dem Weg zu gehen. Solange der Kommandant sie an den nächtlichen Festen teilnehmen ließ, behelligte sie Jakob auch nicht weiter. Ende Juni brachte ein Tross von Kenzingen aus noch einmal Nachschub in die Festung. Der landete vor allem in den Kochtöpfen des Kommandanten von Reinach.
Einige Tage später fuhr Jakob nachts aus dem Schlaf empor. Eine gewaltige Detonation erschütterte die Burg. Eilig kleidete er sich an und lief auf den Hof hinaus. Hier hatten sich schon etliche Offiziere, Bedienstete und Reinach selbst versammelt. Aus dem Vorratslager stiegen Rauchwolken in den nächtlichen Himmel.
»Was ist geschehen, um Himmels willen?«, fragte Jakob den Kommandanten.
»Diese verdammten Kerle«, schrie von Reinach, außer sich vor Wut. »Haben sich nachts in das Lager geschlichen, angeblich, weil sie Hunger hatten! Das ist Hochverrat! Aufknüpfen müsste man sie!«
»Was für Kerle meinst du denn?«, wollte Jakob wissen.
»Na, meine Soldaten! Ich würde ihnen am liebsten eigenhändig die Gurgel durchschneiden.«
»Haben sie vielleicht nicht genug zum Essen bekommen?«, warf Jakob ein.
»Natürlich haben sie genug bekommen, diese Bastarde! Aber sie können ja den Bauch nicht vollkriegen. Und überhaupt, was mischst du dich wieder ein. Habe ich dich etwa gefragt?«
»Das Feuer hat auf die benachbarten Häuser übergegriffen«, rief ein Offizier. »Wir müssen löschen!«
»Gebt den Leuten Eimer und lauft zu den Brunnen!«, befahl der Kommandant. Der Rauch wurde immer dichter, die Hitze immer stärker. Als Jakob aus einem der Fenster blickte, sah er, dass schon viele Häuser der Stadt in Flammen standen. Jetzt eilte auch er, um beim Löschen zu helfen. Bewohner und Soldaten bildeten Ketten, die Ledereimer wurden von Hand zu Hand gereicht. Erst Stunden später konnte der Brand halbwegs gelöscht werden. Die Balken der Häuser glühten immer noch so stark, dass es Jakob die Tränen in die Augen trieb. Der Kommandant kam die Straße von der Burg her heruntergeschritten.
»Vierzig Häuser sind beschädigt worden, dazu wurden ein Haufen Mehl und Pulver vernichtet«, sagte einer der Offiziere.
»Das ist der Dolchstoß für uns«, meinte von Reinach düster. »Die Kerle sind schuld, dass wir hier noch Hungers krepieren müssen!«
»Wir haben nicht genügend vorgesorgt, weil wir nicht geglaubt haben, dass die
Weitere Kostenlose Bücher