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Die Könige: Orknacht (Die Könige 1) (German Edition)

Die Könige: Orknacht (Die Könige 1) (German Edition)

Titel: Die Könige: Orknacht (Die Könige 1) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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gesehen haben mochte, blickte sie verunsichert an – schließlich kam es nicht alle Tage vor, dass die Königin von Tirgaslan den Palast zu so später Stunde verlassen wollte, noch dazu ganz allein.
    »Ihr habt mich gehört«, beharrte Aryanwen, worauf die Unsicherheit im Gesicht des Hauptmanns nur noch zunahm. Aryanwen kannte ihn. Sein Name war Fulk. So lange sie denken konnte, hatte er in den Diensten des Königshauses gestanden, ein Veteran zahlloser Kämpfe, der ihrem Vater stets treu gedient hatte.
    Fulks graue Augen verengten sich zu Schlitzen, während er Aryanwen prüfend ansah. Fieberhaft schien er zu überlegen, was er tun sollte. Sein Gefühl sagte ihm wohl, dass etwas hier ganz und gar nicht stimmte – und es wurde im nächsten Moment bestätigt. Heisere Rufe drangen vom Innenhof in die Torhalle.
    »Wohin ist sie gelaufen?«
    »Dorthin, zum Torhaus!«
    »Haltet sie auf, die Königin darf nicht entwischen!«
    Aryanwen erschrak – und sie sah das Zucken in Fulks narbenübersäten Zügen.
    »Fulk«, sagte sie flüsternd. »Bitte!«
    Er rührte sich nicht.
    Nun, dachte sie, war alles vorbei. Man würde sie festnehmen und ihrem Gemahl übergeben. Gemeinsam mit Vigor würde er alles daransetzen, die Wahrheit aus ihr herauszupressen, und unter qualvollen Schmerzen würde sie irgendwann gestehen, was sich tatsächlich im Wald von Trowna zugetragen hatte – und dass sie zwei Orks zu den Beschützern ihres Kindes gemacht hatte, das in Wahrheit kein Junge war, sondern ein Mädchen, die Tochter Daghans von Ansun …
    In der festen Überzeugung, dass ihr Schicksal besiegelt sei, schloss Aryanwen die Augen, wartete darauf, dass das Unvermeidliche geschehen würde, und die Wachen sie ergreifen würden.
    »Ihr habt es gehört, Leute«, sagte Fulk plötzlich. »Die Königin wünscht den Palast zu verlassen!«
    »W-was?«, fragte einer seiner Männer. »Aber …«
    »Missachtest du meinen Befehl?«, unterbrach ihn Fulk mit eiserner Bestimmtheit.
    »N-nein«, versicherte der andere, der noch jung war und vermutlich leicht einzuschüchtern. Und auch die anderen Soldaten widersprachen nicht.
    Bereitwillig traten sie an die Winde und betätigten den Öffnungsmechanismus. Mit dumpfem Rumpeln löste sich der Riegel, und ein Torflügel schwang auf, während sich das Fallgitter ratternd hob.
    »Danke«, flüsterte Aryanwen den Tränen nahe.
    Fulks Haltung straffte sich. »Es war mir eine Ehre, Tandelors Tochter zu dienen.«
    Aryanwen bedankte sich mit einem Lächeln. Dann huschte sie an ihm und seinen Leuten vorbei nach draußen, hinaus in die Nacht, während hinter ihr die Rufe der Wachen immer lauter wurden.
    Erneut raffte die Königin ihr Kleid und begann zu laufen, quer über den freien Platz, der sich vor dem Tor erstreckte. Aus dem Palast war sie entkommen, in Sicherheit jedoch war sie noch lange nicht! Was sie brauchte, war ein Versteck, in dem sie bis zum Morgengrauen ausharren konnte, und das möglichst rasch. Denn in Kürze würde es nicht nur auf dem Platz, sondern überall in Tirgaslan von Soldaten nur so wimmeln, und nicht alle würden ihrer Königin so wohlgesonnen sein wie Hauptmann Fulk und seine Leute.
    Im Laufen lenkte sie ihre Schritte der Hauptstraße entgegen, die vom Großen Tor heraufführte. Einst war dieses Tor der einzige Zugang zur Stadt gewesen, die von einer gewaltigen Mauer umgeben gewesen war – inzwischen war diese Mauer, die noch auf die Elfenkönige zurückgegangen war, abgetragen und zum Bau anderer Gebäude verwendet worden, sodass Carashena, der alte Kern von Tirgaslan, sprunghaft gewachsen war und sich nach allen Himmelsrichtungen ausgedehnt hatte, vor allem nach Süden, wo es schließlich mit der Hafenstadt Tirgasdun zu einer einzigen großen Siedlung verschmolzen war. Inmitten dieses Gewirrs unzähliger, teils namenloser Straßen und Gassen hatte Aryanwen fraglos die besten Chancen, ihren Häschern zu entwischen, doch würde sie überhaupt so weit kommen?
    Plötzlich fiel ihr Blick auf das große kuppelförmige Bauwerk, das sich an der Mündung der Hauptstraße erhob. Nur die Umrisse waren in der Dunkelheit zu erkennen, doch sie ließen erahnen, dass dieses Gebäude größer und eindrucksvoller war als alle anderen, die sich entlang der Hauptstraße reihten. In Anlehnung an die hohe Baukunst der Elfen war es errichtet worden, ein letzter Widerhall des Goldenen Zeitalters – dabei war dieses Bauwerk nicht für die Lebenden, sondern für die Toten errichtet worden. Es war das

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