Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Könige: Orknacht (Die Könige 1) (German Edition)

Die Könige: Orknacht (Die Könige 1) (German Edition)

Titel: Die Könige: Orknacht (Die Könige 1) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
Vom Netzwerk:
seinem Flaggschiff erkoren hatte, war die mit Abstand größte und trutzigste der Flotte. Der Bug war mit Metallplatten verstärkt, auf dem Vordeck waren Katapulte montiert, und auf dem Achterdeck erhob sich ein metallgepanzerter Turm, von dem aus Winmar seinen wachsamen Blick über die See schweifen ließ. Breitbeinig stand der Zwergenkönig da, die Arme vor der Brust verschränkt und den Umhang aus Bärenfell um die breiten Schultern gezogen, um sich vor der klammen Kälte zu schützen, die nicht nur unter seine Kleider, sondern auch unter seine Haut zu kriechen schien und an seinen Knochen nagte.
    Winmar verfluchte den Nebel.
    Ihm war klar, dass er um diese Jahreszeit ein unumgängliches Übel war und dass von ihm keine Gefahr ausging, solange man in Sichtweite zur Küste manövrierte. Aber die weißen Schwaden, die die umgebenden Schiffe zu bedrohlichen Schemen verblassen ließen, waren ihm dennoch verhasst, und er sehnte die Stunde herbei, da sich die Schleier heben und die Sicht auf den Horizont freigeben würden. Und er konnte es kaum erwarten, seine Stadt endlich mit eigenen Augen zu sehen.
    In den alten Tagen war Kal Anar, wie Tirgas Winmar einst geheißen hatte, ein eigenes Königreich gewesen. Die Menschen dort waren von kleinem Wuchs und gelblicher Haut, aus ihren Gesichtern blickten seltsam schmale Augen. Vor rund fünf Jahrhunderten war die Stadt von König Corwyn erobert und dem Reich eingegliedert worden, worauf er sie in Tirgas Anar umbenannt hatte. Unter diesem Namen hatte sich das »Feuer des Ostens«, wie die Stadt auch genannt wurde, zu einer ebenso blühenden wie reichen Metropole entwickelt – bis sie im vorletzten Jahr von Winmars Truppen erobert worden war.
    Dabei hatte es zunächst nicht so ausgesehen, als ob dem Unternehmen Erfolg beschieden wäre. Monatelang hatten Zwergenkrieger und Ork-Söldner die Stadt belagert, ohne dass ein Durchbruch gelungen wäre, selbst die Zerstörungskraft der Kaldronen hatte vor den gewaltigen Mauern und den tiefen Gräben der Stadt versagt. Verrat hatte schließlich bewirkt, was die Anstrengungen der Krieger bis dahin nicht vermocht hatten. Ein Tor war geöffnet worden und hatte einer Einheit von Zwergen und Orks Zugang zur Stadt verschafft, und dann war alles ganz schnell gegangen. Schon wenige Tage darauf hatte das Axtbanner über den Dächern geweht.
    Die Idee, die Stadt nach ihrem Eroberer zu benennen, war Winmar selbst gekommen – dass sie einst sein Herrschersitz werden würde, hatte er damals freilich noch nicht absehen können. Wohl anders als die Stimme, die ihn zum Angriff auf Tirgas Anar gedrängt hatte. Vermutlich hatte sie auch diese Entwicklung vorausgesehen, wie so vieles, das in den vergangenen Jahrzehnten geschehen war und aus einem einfachen Arbeiter den König von Erdwelt gemacht hatte.
    Macht.
    Grenzenlose Macht.
    Winmar hatte nie verheimlicht, dass dies sein Ziel war, und die Stimme hatte ihm stets gegeben, wonach er verlangte. Sie würde es auch weiter tun, davon war er überzeugt, denn sie wusste, dass er ihr ergebener Diener war und vor keiner Untat zurückschreckte. Bisweilen fragte sich Winmar sogar, ob es die Stimme war, die ihn lenkte, oder ob es sich nicht in Wahrheit andersherum verhielt – hatte sein fiebernder, nach immer noch mehr Macht dürstender Verstand nicht längst die Kontrolle übernommen? Überwachte er längst das Auge, das ihn beobachtete? Drängte er ihm seinen Willen auf?
    Der Gedanke erfüllte ihn mit Befriedigung, überschüttete ihn mit einem Glücksgefühl – das allerdings nur Augenblicke währte, ehe sich wieder die alten Ängste und Befürchtungen meldeten.
    Angst davor, seine Macht wieder zu verlieren.
    Angst davor, an Grenzen zu stoßen.
    Angst vor Verrat.
    Und in seine Furcht hinein erklang der Ruf des Ausgucks: »Schiff in Sicht!«
    Der Kommandant der Flotte, ein altgedienter Kriegsveteran, der zusammen mit Winmar auf der Turmplattform stand, trat an die Brüstung. Noch vor wenigen Jahrzehnten wäre es keinem Zwerg eingefallen, seinen Fuß an Bord eines Schiffes zu setzen, und der Gedanke, der Zwergenkönig könnte eine Kriegsflotte sein Eigen nennen, wäre geradezu abwegig erschienen. Durch den Krieg jedoch hatten die Söhne des Berges Zugang zum Meer bekommen und damit zu ganz Erdwelt, und inzwischen standen ihre Kenntnisse als Seefahrer denen der anderen Völker in nichts mehr nach. Im Gegenteil – Winmar war davon überzeugt, dass sie auch das im Grunde sehr viel besser konnten als alle

Weitere Kostenlose Bücher