Die Könige: Orknacht (Die Könige 1) (German Edition)
tun.«
»Dann werde ich diesen Preis eben bezahlen«, erwiderte Aryanwen entschlossen. »Elfenhain ist die Antwort, nach der wir gesucht haben.«
9
I ch bin bereit.«
Dag verzichtete auf einen Morgengruß. Die halbe Nacht über hatte er wach gelegen und sich auf seinem harten Lager hin und her gewälzt, hatte fieberhaft nachgedacht, was zu tun war. Doch je länger er überlegt hatte, desto deutlicher war ihm aufgegangen, dass er keine andere Wahl hatte.
Er musste gehen.
Sosehr er in der Vergangenheit auch versagt haben, so zwingend seine Gründe, sich in die Einsamkeit zurückzuziehen, auch gewesen sein mochten – wenn es tatsächlich sein Kind war, das Aryanwen erwartete, war keiner davon gut genug.
Der alte Mann, der zusammen mit Tiffor am Tisch saß, wo sie ein karges Frühstück einnahmen, antwortete nicht sofort. Er schien Dag von Kopf bis Fuß zu mustern. »Du hast dich entschieden, mir zu vertrauen?«, erkundigte er sich schließlich.
»Dazu habe ich keinen Anlass«, stellte Dag klar. »Ihr tretet ungefragt in mein Leben und steckt Eure Nase in Angelegenheiten, die Euch nichts angehen.«
»Aber?«
»Ihr wisst von Dingen, die nur sehr wenige Menschen wissen, deshalb bin ich bereit, Euch in dieser Sache Glauben zu schenken – unter einer Bedingung: Ihr werdet mir verraten, wer Ihr seid und woher Ihr das alles wisst.«
»Wenn du einen Namen brauchst, so nenne mich Dwethan. In der Sprache der alten Welt bedeutete dies …«
»… Weiser. Zauberer«, ergänzte Dag nickend.
»Natürlich. Ich hatte vergessen, dass du des Elfischen mächtig bist.«
»Ein wenig«, bestätigte Dag. Was er von der elfischen Sprache wusste, hatte Aryanwen ihm beigebracht, die eine Nachkommin Königin Alannahs war, der letzten Elfenkönigin, die über Erdwelt geherrscht hatte, vor fast fünfhundert Jahren. In den vergangenen Monaten hatte er es nicht gesprochen. Einerseits, weil kein Anlass dazu bestanden hatte, andererseits, weil jeder Laut und jede Silbe mit Erinnerungen verbunden waren, und jede einzelne davon tat weh. »Aber ein Name erklärt noch nicht, weshalb Ihr von Dingen wisst, die sonst kaum jemand weiß. Seid Ihr ein Spion? Oder ein Wahrsager?«
»Weder noch«, lautete die lakonische Antwort, »aber ich kann dir auch nicht offenbaren, was ich tatsächlich bin. Noch nicht – denn die Tatsache, dass ich viel über dich weiß, bedeutet nicht zwangsläufig, dass ich dir vertraue.«
»Aber Ihr erwartet es andersherum!«
»In der Tat – und mit diesem Widerspruch wirst du leben müssen, wenn du Frau und Kind retten willst.«
Frau und Kind.
Wie ein Echo klangen die Worte in Dags Bewusstsein nach. Er biss sich auf die Lippen, versuchte das Durcheinander seiner Gedanken zu ordnen. Gestern noch war er in seinen Augen nichts als ein Versager gewesen, ein törichter Narr, der den Tod mehr verdient hatte als das Leben. Ein Narr war er noch immer, jedoch hatte er erstmals seit sehr langer Zeit wieder das Gefühl, etwas Sinnvolles tun, etwas bewirken zu können. Mehr noch, er musste etwas unternehmen, denn wenn Lavan gewahr wurde, dass Aryanwens Kind nicht seines war, würde er beide töten lassen. Dag hatte also keine Wahl, als in die Bedingungen des Alten einzuwilligen, was immer dieser im Schilde führen mochte.
»Also gut«, erklärte er sich deshalb bereit, »ich werde Euch in dieser Sache vertrauen müssen. Ich gebe mein Einsiedlerdasein auf und gehe nach Tirgaslan.«
»Nach Tirgaslan? Um was zu tun?«
»Was wohl? Um Aryanwen zu befreien und sie und ihr ungeborenes Kind zu retten«, erklärte Dag schnaubend.
»Und du glaubst, dass du das könntest? Ganz allein?«
»Nun«, bekannte Dag einigermaßen verwirrt, »ich hatte angenommen, dass …«
»Was? Dass ich dir helfen würde?«
Dag kam sich wie ein Idiot vor. Nach allem, was der Alte wusste und gesagt hatte, war er tatsächlich davon ausgegangen, dass er ihn nach Tirgaslan begleiten würde. Da das nicht der Fall zu sein schien, wandte sich Dag reflexhaft in die Richtung, in der Tiffor am Tisch saß und geräuschvoll an einem Stück vertrockneten Brotes knabberte.
»Mich lass dabei bitte aus dem Spiel«, stellte Tiff jedoch augenblicklich klar. »Ich habe dir geholfen, als du in Not warst. Ich habe dein Geheimnis gewahrt und dich in meine Behausung aufgenommen, als du ein Obdach suchtest. Aber ich tauge nicht zum Helden. Es gibt einen Grund, warum ich in dieser Höhle hause.«
»Verstehe.« Dag ließ den Kopf sinken.
»Du musst Geduld haben«,
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