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Die Koenigin der Schattenstadt

Die Koenigin der Schattenstadt

Titel: Die Koenigin der Schattenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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die Harlekine euch damals nicht gefasst. Niemand hat damit gerechnet, dass du die Mephistia bist. Sarita hat dich überall gesucht. Und mein Sohn konnte dich ebenso wenig finden. Du bist bestimmt für die Dunkelheit, mein Kind.«
    Catalina verschloss ihre Ohren vor dem süßen Klang der Stimme, der sie lockte und an ihr zerrte. Sie presste die Lippen zusammen und sah auf Jordi. Sie dachte an den Plan, der sie hatte herkommen lassen. Jetzt war sie hier und nur ein kleiner Schritt trennte sie von dem, was sie vorhatte.
    »Ich werde niemals tun, was ihr von mir verlangt«, sagte sie langsam.
    Sie griff in die Hosentasche, doch gleich darauf durchfuhr sie ein jäher Schreck. Dort, wo vorhin noch der Bleistiftstummel gewesen war, den sie aus der Windmühle mitgenommen hatte, dort, wo sich das Blatt Papier befunden hatte, da fühlte sie jetzt nur noch Schattenstaub.
    Da war kein Stift mehr. Und auch kein unbeschriftetes Blatt Papier.
    Sie konnte nichts zeichnen! Der Stift hatte nur in der Schattenstadt existiert. Warum, in aller Welt, hatte sie nicht daran gedacht, als sie dort gewesen war?
    Sie warf einen Blick auf Sarita, die einfach nur dastand mit einer Miene, die Catalina nicht deuten konnte, und ihre Tochter beobachtete. Hatte sie gesehen, wonach Catalina suchte?
    »Du hast wirklich geglaubt«, fragte Kassandra Karfax süß, »dass du dich mir entgegenstellen könntest?«
    Catalina sagte nichts.
    Sie schaute sich in der Wüstenwelt um. Oben, an der Spitze der Düne, sah sie das Wrack einer Flugmaschine, die nicht besonders groß gewesen war. Die Überreste erinnerten an einen bunten Kolibri. Mehr als zwei Mann hatten wohl kaum Platz darin gefunden. Sie fragte sich, ob jemand Jordi begleitet hatte, als er hierhergeflogen war.
    Kassandra Karfax, die ihren Blick bemerkte, sagte: »Darin ist Jordi Marí gereist.«
    Sie zwinkerte mit dem Auge, das die Farben zu wechseln vermochte, und hoch oben feuerte die schwarze Galeone mit den Segeln aus Nacht einen krachenden Schuss ab. Sekundenbruchteile später explodierte das Wrack des kleinen Fluggerätes in einer Wolke aus Feuer, Holzsplittern und Rauch.
    »Damit«, sagte Kassandra Karfax, »wird niemand mehr fliegen.« Dann kam sie erneut einen Schritt auf Catalina zu. Die Buchstaben, die auf den Fetzen in ihrem Gesicht lebten, schrieben unruhige Wörter, sogar auf die Haut und noch viel tiefer. »Nun? Was willst du jetzt tun?« Sie schaute zu dem brennenden Fluggerät, dann hinauf zur Galeone, schließlich zu Malfuria und fügte spöttisch hinzu: »Fortlaufen?«
    Sarita stand immer noch da, ohne etwas zu sagen. Sie ließ Catalina keinen Moment aus den Augen, wartete begierig auf eine Antwort.
    Ihre eigene Mutter. Im Pakt mit dieser Frau, die alles zerstören wollte.
    Catalinas Wut wuchs.
    Ganz sicher würde sie nicht mehr fortlaufen, ein für alle Mal. Sie war jetzt hier, in dieser Wüstenwelt, und sie war fast an ihrem Ziel. Sie wusste jetzt, wie Kassandra Karfax und La Sombría aussahen, mehr noch, sie hatten sich so tief in ihr Gedächtnis eingebrannt, dass Catalina sie nie mehr vergessen würde.
    Zu jeder Zeit würde sie ihre Abbilder zeichnen können. Ja, sie könnte es tun, wenn sie nur etwas zum Zeichnen hätte.
    »Lasst sie gehen!«, befahl unvermittelt eine Stimme, die alt und rau war wie die Raben, mit denen sie ihr Leben lang gesprochen hatte. Gleichzeitig wurde ein Fetzen Papier vom Körper der Reisenden gerissen.
    Sarita stöhnte auf und La Sombría zischte wie etwas, das einem Kind die Träume in Fetzen zu schneiden vermag.
    Alle sahen sie es.
    Das Feuer und die Gestalt darin.
    Krumm und gebeugt stand sie in den Flammen, die aus dem Wrack der Kolibri-Flugmaschine züngelten. Die Umrisse ließen vermuten, dass es sich um eine Bauersfrau handelte. Doch Catalina wusste, dass es keine einfache Bäuerin war, die da in den Flammen reiste.
    Kassandras Schatten glitt über den Sand, doch ein jäher Feuerstoß ließ sie zurückzucken.
    Dann trat die alte Frau aus dem Feuer heraus und strich sich die Funken aus dem Haar wie Laub.
    Sie hinkte. Ihr zerfurchtes Gesicht war verbrannt. Grelle rote Flecken ließen die gebräunte Haut aufleuchten. Augenbrauen und Haaransatz waren ganz versengt.
    »Nuria Niebla«, fauchte Kassandra Karfax.
    »Ja, ich bin es«, sagte die Nebelhexe. Funken kletterten noch immer an ihrem Rock empor. Sie löschte sie aus, mit nur einer einzigen Bewegung ihrer alten Hände. »Bringen wir es zu einem Ende«, sagte sie, »so oder so.«
    Das, dachte

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