Die Koenigin der Wolle
hastig Luft. „Wo ist sie? Wie geht es ihr?”
„Ah, ich dachte schon, du fragst nie! Rosie geht’s gut. Ich glaube, sie schläft noch. Deine Tochter hat sich gute neun Stunden Zeit gelassen, weißt du?”
„Meine Tochter?” Die Frage klang so ungläubig, dass Janice das Lachen nicht mehr halten konnte. „Meine Tochter. Ich habe eine Tochter!” Offenbar würde es noch eine Weile dauern, bis sich diese Erkenntnis festgesetzt hatte. „Warst du dabei?”
Jan schüttelte den Kopf. „Nein, Rosie wollte es nicht. Sie hätte auch dich nicht dabei gewollt. Hat alles ganz tapfer allein durchgezogen. Möchtest du die beiden nicht endlich mal sehen?” Sie hatte immer ihre Probleme mit Alexander gehabt und hatte sich nie so ganz an seine Anwesenheit gewöhnen können. Der sprachlos glückliche Ausdruck in seinem Gesicht versöhnte sie jedoch mit der Tatsache, dass er im Leben ihrer Freundin einen so wichtigen Platz eingenommen hatte.
„Darf ich das denn? Es gibt doch bestimmt Besuchsregeln?” Er schaute sich nach einer Krankenschwester um.
„Quatsch! Du bist der Vater. Du musst da hinein!” Sie schob ihn zur nächstgelegenen Zimmertür und drückte die Klinke nieder.
Ein Schritt und Alexander stand in dem abgedunkelten Raum, während sich die Tür hinter ihm wieder schloss. Rosalind schlief tief und fest. Sie sah wunderschön aus, geschafft, aber trotzdem unglaublich schön. In diesem Moment wurde sie für ihn von der Königin zur Göttin. Neben dem Krankenhausbett stand eines dieser furchtbaren Krankenhaus-Kinderbetten, in dem ein winziges Bündel Mensch mit langen rotbraunen Wimpern ebenso friedlich schlief. Der kleine Kopf war mit einer Mütze bedeckt, der Rest des Körpers in wärmende Decken verpackt. Seine Tochter. Alexander schaute auf das Namensschild. Rosalind und er hatten sich nie über mögliche Namen unterhalten. Zuerst war er der Meinung gewesen, kein Recht auf Mitsprache zu haben, dann hatte er beschlossen, sich überraschen zu lassen. Celia Isabella Sterling stand da auf einem Schild geschrieben. Natürlich, Shakespeare. Ein Lächeln stahl sich über sein Gesicht.
„Oh, ich wusste nicht...” Eine junge Schwester hatte lautlos den Raum betreten.
„Guten Abend, ich, äh, ich bin der Vater.”
Die junge Frau lächelte freundlich. „Da wird sich Miss Fielding aber freuen, wenn sie aufwacht und ihren Dad sieht.”
Alexander lächelte zurück. „Sie verstehen mich falsch”, flüsterte er. „Ich bin der Vater dieser kleinen Schönheit hier.”
„Oh. Tut mir leid, ich wollte nicht...” Selbst im Halbdunkel des Zimmers konnte man sehen, wie sich ihr Gesicht tiefrot verfärbte.
„Schon okay. Darf ich die Kleine halten?”
„Aber sicher. Sie ist kerngesund und wunderhübsch. Gratulation.” Die Schwester nahm das Baby vorsichtig aus dem Bettchen und reichte es seinem Vater.
Alex hatte es vor allen verschwiegen, aber er hatte in den vergangenen Wochen regelmäßig seinen alten Freund Sean besucht, um dort Anouks Hilfe in Anspruch zu nehmen. Es hatte sich gezeigt, dass sie sich nicht nur auf die weibliche Psyche, sondern auch auf den Umgang mit Säuglingen verstand. Er fand, er machte sich gar nicht so schlecht, als er seine Tochter zum ersten Mal im Arm hielt.
„Vielleicht sollten Sie das sehen”, meinte die Krankenschwester mit einem breiten Grinsen, als sie dem Mädchen die Mütze vom Kopf nahm. „Ganz die Mutter.”
„Der Rest der Familie schaut auch so aus.” Er wiegte die Kleine zärtlich hin und her und betrachtete die weichen Locken, die ihren Kopf bedeckten. Das feine Haar hatte ungefähr die Farbe, die Duncan, Orlando, Laertes, Jaques und Claudio auf dem Kopf trugen. Wenn er sich nicht zusammennahm, würde er vor den Augen der Schwester vor Glück in Tränen ausbrechen.
„Und sie ist wirklich gesund?”
„Aber sicher. Vollkommen gesund und zum Anbeißen niedlich. Die Hebamme und alle Schwestern, die sie gesehen haben, finden, sie sieht aus wie ein kleines Püppchen.”
Hinter ihnen bewegte sich Rosalind in ihrem Bett.
„Miss Fielding, schauen Sie, wer doch noch hergefunden hat.” Die Krankenschwester nahm Alex das Baby wieder ab und legte es zurück in das Bett. Sie gab sich Mühe, so unauffällig und lautlos zu verschwinden, wie sie nur konnte.
„Ich habe es mal wieder zuverlässig geschafft, das Wichtigste zu verpassen. Ich bin so stolz auf dich, Rose!”
„Sie ist unglaublich hübsch, stimmt’s? Bist du mit dem Namen zufrieden?” Rosalind rappelte sich
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