Die Koenigin der Wolle
zwei Tagen zur Welt kommen solle, hatte er bei Rose schon am Morgen beinahe einen Tobsuchtsanfall provoziert.
Auch am folgenden Tag schlug Rosalind erfolgreich alle Bitten und Warnungen in den Wind. Selbst die alarmierten Blicke am Neunundzwanzigsten konterte sie mit einem genervten Augenrollen.
„Ich kann doch auch nichts dafür. Es lässt sich eben Zeit. Warum seid ihr alle denn so drängelig?” Sie schaute dabei in sechs verschiedene Augenpaare, die alle auf die Ankunft ihres Kindes, Enkelkindes, Patenkindes oder ihrer Nichte oder ihres Neffen warteten.
Rose selbst hätte es niemals zugegeben, aber die Ungeduld ihrer Familie übertrug sich langsam auf sie. Alexanders nervöses „Immer noch nichts?” am Abend des Einunddreißigsten trieb sie um ein Haar schreiend aus dem Haus.
„Nein, noch nichts! Du wirst es erwarten können”, gab sie pampig zurück. „Man hat mir glaubhaft versichert, dass bisher noch keins drin geblieben ist.”
„Hab’ ich auch schon gehört. Das Dumme ist nur, dass ich morgen sehr zeitig nach London muss, um bei diesen Meetings dabei zu sein.”
„Entschuldige bitte, dass ich deinen Zeitplan nicht einhalte.” Rosalind klang zunehmend verärgert.
Alexander kannte das inzwischen. Stimmungsschwankungen - kein Grund zur Besorgnis.
„Darum geht’s mir doch gar nicht. Komm’ her.” Er zog sie in seine Arme und wiegte sie sacht hin und her.
„Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Es fühlt sich an, als würde es noch ein paar Tage dauern.” Sie schloss die Augen und horchte in sich hinein. Keinerlei Veränderung. Alles ruhig. Scheinbar stand ihr Kind jetzt schon auf Überraschungen.
***
„Ich muss los, Darling. Falls irgendwas ist, meldet ihr euch sofort bei mir, verstanden?! Janice hat ihre Anweisungen schon gestern von mir bekommen.” Alexander drückte Rosalind einen Kuss auf die Stirn und wartete ihre Antwort ab.
„Okay. Geht klar”, murmelte sie verschlafen. Es war fünf Uhr morgens. Dieser neue Literaturagent musste ein Sadist sein. „Viel Spaß mit den Verlagsleuten und den Typen vom Film.”
„Werd’s versuchen.” Damit verschwand er.
Rosalind gönnte sich noch ein wenig Ruhe, stand erst um sieben Uhr langsam (schnell ging auch nicht mehr) auf und öffnete das Geschäft kurz darauf.
Janice und sie standen noch etwas planlos an der Theke herum und überlegten, welchen Teil der neuen Lieferung sie zuerst in die Regale verfrachten sollten, als Rosalind der Überraschungsangriff ihres Kindes traf.
„Jan, würdest du’ mir sehr übel nehmen, wenn ich die Wolle später wegpacke?”
„Wann später?” Sie hatte ihre Augen auf den Lieferschein geheftet und kontrollierte die Posten darauf.
„Nach der Geburt, schätze ich.”
„Ach du Sch... Okay, immer die Ruhe bewahren! Deine Tasche. Hole ich sofort. Ich fahre dich.”
Hätte sie nicht solche Schmerzen gehabt, hätte Rose laut lachen müssen. Sie hatte Janice noch nie zuvor so aufgeregt erlebt.
Mit der Tasche, die Jan in ihrer Eile zweimal hatte fallenlassen, fuhren sie zum Krankenhaus. Die freundlichen Schwestern nahmen Rosalind umgehend in Empfang und brachten sie auf ihre Station, während Janice zuerst die Formulare für die Aufnahme ausfüllte und dann versuchte, Alexander zu erreichen. Verflixt, warum nahm der Kerl nicht ab, wenn man ihn anrief?
***
Alexander Sterling langweilte sich unsäglich. Andrew, sein neuer Agent hatte es so eingerichtet, dass das Treffen mit den Verlagsfrauen gleich dort abgehalten wurde, wo kurz darauf die Filmbesprechung stattfinden sollte. Der Raum war wie das ganze Gebäude - groß, unpersönlich und abweisend.
„Ist ja interessant”, gaben die Frauen beim Querlesen des unfertigen Buches immer wieder von sich.
„Gar nicht mal übel, aber auch recht gewagt. Hmm...”
Er schaute auf seine Armbanduhr. Halb zehn. Konnten die sich nicht endlich mal entscheiden, ob sie das Buch nun gutfinden sollten oder nicht?
„Die Geschichte ist ein wenig lebensfremd, Mr Sterling”, befand eine der Frauen schließlich.
„Weshalb?”
„Ich bitte Sie! Ein wirklich reifer Mann gabelt eine junge Frau auf, die er aus Versehen für ein Flittchen hält und verliebt sich in sie.”
„Das mag ja noch angehen, aber die Tatsache, dass auch sie sich in ihn verliebt und ihn sogar ihren Eltern vorstellt. Und ihn heiratet! Nennen Sie mir nur einen realen Fall, bei dem DAS zutrifft.”
Alexander grinste. Sein Agent wurde plötzlich von einem verräterischen
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