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Die Königin ist tot: Roman (German Edition)

Die Königin ist tot: Roman (German Edition)

Titel: Die Königin ist tot: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olga Flor
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suche mir die schwächsten aus, zumindest meistens. Dreimal pro Woche kommt eine riesige schwere Gärtnerin, oft in Begleitung eines schmächtigen Gehilfen, der aussieht, als habe sie ihn sich aus der Seite geschnitten, seine Hüften sind so schmal, dass sie locker in einem ihrer Oberschenkel Platz hätten. Sie hat nichts Schwächliches an sich, und dennoch fühle ich mich von ihrer Gegenwart nicht bedroht. Manchmal stelle ich mich neben sie und halte sie von der Arbeit ab, sie lacht dann und sagt, das sei schon in Ordnung, so lange wir zahlten. Übrigens lässt sie sich gar nicht wirklich von ihren Tätigkeiten abhalten. Sie schneidet zurück und sagt ihrem Gehilfen, wo er Löcher ausheben soll, sie lässt ihn schleppen und setzt dann die neuen Pflanzen. Sie trägt hohe Gummistiefel in Moosgrün oder Schlammbraun, genau solche, wie Duncan sie trägt, wenn er uns besucht und das Bedürfnis hat, sich als englischer Landjunker zu verkleiden und auf Fuchsjagd zu gehen. Nicht, dass es hier welche gäbe, doch die korrekte Ausrüstung für die Jagd auf sie hätte er. Sie wirft ihre langen braunen Haare nach hinten (so habe ich mir immer eine Indianerin vorgestellt: ich bin sicher, sie kann fischen und schießen und versteht sich im Notfall auf das Aussitzen von Belagerungen), und teilt mir ganz unverhohlen mit, dass es der helle Wahnsinn sei, den Dünen einen Garten abtrotzen zu wollen, aber dass ihr das schließlich nur recht sein könne, denn an Arbeit mangle es nie.
    Ich würde der Gärtnerin, die sich ihrer Sache so sicher ist, gerne zur Hand gehen, um mich kontaminieren zu lassen von ihrer Sicherheit. Statt dessen betrachte ich den Gehilfen, wie er sich in einer versteckten Ecke eine Zigarette anzündet; ich frage mich, was er mit dem Stummel machen wird, doch sie bemerkt es nicht, sie erklärt mir etwas, das mit Wuchsgeschwindigkeiten und Blattknospungen zu tun hat, und ich denke daran, dass Duncan mich nur einmal geschlagen hat, zweimal, eigentlich, zwei trockene Schläge ins Gesicht, nachdem er mich am Strand aufgelesen hatte, und nicht einmal vor den Leibwächtern, so rücksichtsvoll war er, erst am Kamin schlug er zu, nicht sonderlich heftig, doch völlig überraschend. Genaugenommen bin ich sicher, dass der eine von ihnen, dessen Namen ich vergessen habe, das Klatschen gehört hat (und wer weiß, das Kindermädchen, dessen Raum neben dem der Kinder im Obergeschoß liegt, und der wiederum in unmittelbarer Nähe des Kaminstrangs, der das Haus wie eine akustische Rohrpostleitung durchläuft, womöglich auch), und während ich still da saß und das Geräusch nachklingen ließ, das Auftreffen von Haut auf Haut, stellte ein Teil von mir fest, dass es nicht wirklich weh tat, dass der symbolische Schaden größer war als der physische. Der symbolische Schaden könnte allerdings erheblich sein. Sofern er das ernst meinte, was ein anderer Teil von mir durchaus bezweifelte und die Hypothese aufstellte, dass ein weiterer Hinweis auf Duncans Art von Humor sein müsse, sich zu benehmen wie ein Ehemann aus einem Schwarzweiß-Spielfilm, wie man sie in einem anderen Leben im Samstagnachmittagsprogramm begutachten hatte können, sinnstiftendes Mutter-Tochter-Fernsehen, bei dem Nägel lackiert werden konnten; dazu passte, dass er mich danach aufmerksam und voller Interesse betrachtete, er schenkte mir Whisky in den Becher mit dem bereits erkalteten Getränk nach und strich mir behutsam über die Haare, die sich ringelten. Das Zurückzucken vor der Berührung konnte ich unterdrücken. Und ich wusste, dass ich mir nicht sicher sein konnte, dass mir das Ganze nicht gefiel. Oder dass ich mir das Ganze nicht nur eingebildet hatte. Ich traue mir schon lange nicht mehr.
    Ich lächelte der Gärtnerin zu und nickte in Richtung des Gehilfen, der hinter einer Baumgruppe hervortrat, als hätte er sich dort erleichtert.

9
    Die Einsamkeit kommt wie Nebel vom Meer. Vom Meer mit dem Ölbohrloch, das sie schon wieder nicht stopfen können. Ich weiß, dass es an der Zeit wäre, eine enge Beziehung zu den Kindern aufzubauen, doch es gelingt mir nicht, ich sehe mir selbst dabei zu, wie ich Gefühle konstatieren muss, ohne zu wissen, wie sie empfunden werden.
    Zumindest glaube ich das, den Jüngeren vor Augen, wie er auf einem Stuhl vor dem (minimalistisch plan in die Stahlplatte eingelassenen) Spülbecken stehend seine Hände unter den lauwarmen Wasserstrahl hält und Obststücke wäscht, das Obst dann in einen wassergefüllten Becher tunkt und

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