Die Königin ist tot: Roman (German Edition)
begann ich wirklich zu frieren. Da stand schon einer der Leibwächter, der sich das Grinsen so ostentativ verkniff, dass es beleidigend war, und wickelte mich in eine Jacke.
Dann gab ich den Befehl, zum nächsten Theme Park zu fahren (ich mache mir nichts vor: die Männer hielten sicher sofort Rücksprache mit ihrem Auftraggeber, und der war nicht ich). In einer altenglischen Dorfkulisse fanden wir ein Spukhaus, in das die Kinder unbedingt hineinwollten, und in den verspiegelten Räumen betrachteten wir unsere verzerrten Gesichter, sahen unsere zersplitterten und unter seltsamen Winkeln zusammengesetzten Körper; nur dem Älteren war die Sache ein bisschen unangenehm; er ging hinaus und rief vermutlich seinen Vater an.
Duncan sagte später nur, mich könne man wirklich nicht mit den Kindern alleine lassen, und im Grunde gab ich ihm recht. Irgendwas machte ich falsch.
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Es ist auch nicht so, dass ich explizit etwas gegen Duncan hatte oder etwas Explizites in der Hand. Dass er dem Bürgermeister seiner Heimatstadt Chicago (einem Mann, dem die Wichtigkeit von Duncans Firmensitz für die Stadtentwicklung ausgesprochen bewusst war) Stuart als Polizeichef ans Herz legen konnte, war elegant und naheliegend, auch wenn die Seitenwechsel meist umgekehrt vor sich gehen, vom öffentlichen Amt in die Privatwirtschaft: Lohn des Staatsdieners für sein offenes Ohr. Doch die Dinge sind längst in Bewegung geraten, auch solche Regelwerke erodieren. Stuart ist schließlich ein privatwirtschaftlich äußerst erfahrener Sicherheitsexperte, und wer, wenn nicht das private Kapital, hätte Anspruch auf Sicherheit. Zudem ist Stuart anständig verheiratet (Katholikin, sagte Duncan, macht sich immer gut) und verfügt sogar über eine militärische Ausbildung. Was will man mehr? Stuart will mehr. Der Posten befriedige noch keinesfalls Stuarts Ehrgeiz, sagt Duncan wohlgefällig.
Ich weiß schon, ich hätte Duncan für das taktische Geschick bewundern können, mit dem er das durchgezogen hatte, ehe er sich mit seinem rituellen Landjunkeranzug bekleidete und uns besuchen kam, in umgekehrter Reihenfolge natürlich. Ich hätte ihn bewundern sollen, ich verstand nur nicht recht, was er von dem Manöver hatte. Ihm war nichts vorzuwerfen, außer eben diesen seltenen Momenten der Schwäche, und die waren legitim, dennoch ärgerte ich mich darüber, dass sie so unvorhersehbar kamen und gingen, dass er sich in sie fallen ließ wie ins Leere. Kleine Irritationen wie der Blick, mit dem er mich anstarrte, stierte, und sich zu keiner Handlung entschließen konnte. Während ich noch dachte, dass das nicht er sein konnte, nicht der Mann, den ich kannte, kam auch schon der Umschlag, das plötzliche Hochfahren wie aus dem Sekundenschlaf, der Ausbruch von Hyperaktivität, die er in Ermangelung eines greifbaren Zielobjekts – ich lernte rasch, aus sicherem Abstand zu winken – an seinem Endgerät ausließ, während er die Manschettenknöpfe öffnete und schloss.
Obwohl mir durchaus nicht alles entging, was sich so abspielte (am Telefon gab er gerade vor, wie viel an Mehreinnahmen für die Anzeigenkampagnen zu lukrieren sei, die ein Präsidentschaftskandidat in diversen Sendern schaltete, schalten musste, wie man leicht begreifen konnte, um sich die richtige Berichterstattung zu verdienen), stimmt es doch, dass Duncan mir keinen Grund gab, große Gefühle für ihn zu entwickeln. Das ist vielleicht das Markanteste, was ich über ihn sagen kann, und das macht meine Sache womöglich noch schlimmer. Ich weiß es nicht. Sollen andere urteilen. Oder lieber nicht, denn warum sollte ich mich auf das Urteil anderer eher verlassen wollen? Also: Keine Gefühle, nur Zielorientiertheit: hier das Ziel, dort das Hindernis. Zum Mittel war es nicht weit. Das Mittel zur Hindernisbeseitigung auf dem Weg zum Ziel war Alexander. In gewisser Weise.
Nein. Alexander. Was sage ich da. Zurück zu diesem Abend im Dünenhaus. Das erste, was mir auffiel, war sein Lachen, als er mir zu verstehen gab, so deutete ich es, dass ihn diese ganzen Spielchen an dem schon ein wenig abgegessenen Esstisch nicht berührten, dass er sie als unbeteiligter Zuseher betrachten konnte, wobei er mir gleichzeitig, auf dubios unterschwelligem Weg vermittelte, dass er allerdings an einem Spiel mit mir interessiert sein könnte, eben, weil frei von Bindung und eins mit mir im Beobachten, bei dem er mich ertappt hatte. Ich beobachtete ebenso wie er, wie die Pferdeschwänzige sich mit Stuart (noch in seiner
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