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Die Königsmacherin

Die Königsmacherin

Titel: Die Königsmacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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auf. »Wozu Karlmann überhaupt ein solches abgelegt hat, wird mir für immer ein Rätsel bleiben! Er hat schließlich fast sein ganzes Leben lang schon wie ein Mönch gelebt.«
    »Und dann?«
    »Dann ging alles ganz schnell. Der Heilige Vater machte von seinem Amt Gebrauch. Er verfügte, daß Karlmann ins burgundische Kloster nach Vienne verbracht werden sollte. Seinem Sohn Drogo hat er noch an Ort und Stelle gnadenlos ein Mönchsgelübde abgenommen, ihn scheren lassen und unverzüglich der Obhut des Echternacher Klosters unterstellt. Und Karlmanns Anhängern hat er die Wahl gelassen, entweder auch in den geistlichen Stand einzutreten oder still nach Hause zu ziehen. Von dieser Seite droht jetzt also keine Gefahr mehr.«
    »Wie geht es Karlmann?« fragte sie leise.
    Pippin hob die Augenbrauen. »Danach habe ich ihn nun wirklich nicht gefragt, Bertrada! Hast du denn nicht begriffen? Er hat sich an die Spitze meiner Gegner gestellt! Ohne Papst Stephan wäre ich meinen Bruder nicht so unauffällig losgeworden!«
    Bertrada stand unvermittelt auf.
    »Ich muß nach den Kindern sehen«, sagte sie mit gepreßter Stimme und warf sich einen Umhang über. Bei Pippins letztem Satz hatte sie plötzlich das Bild eines kleinen Kindes in einem Schweinetrog vor Augen.
    Der Papst hatte es nicht eilig, nach Rom zurückzukehren. Er festigte sein Bündnis mit Pippin durch eine Schwurfreundschaft, firmte die ganze Familie und verlieh dem König den Ehrentitel eines ›Patriziers der Römer‹. Die feierliche Krönung und Salbung von Pippin, Bertrada und ihren Söhnen im spätsommerlichen Saint Denis bildete natürlich den Höhepunkt aller Festlichkeiten. Wie lange hatte Bertrada dieses Ereignis herbeigesehnt! Doch als ihr in der Kirche endlich die Krone aufgesetzt wurde, war ihr nur weh ums Herz. Jetzt war zwar sichergestellt, daß keine entfernten Verwandten mehr Zugriff auf die fränkischen Länder hatten, aber mit rechten Dingen war es dabei nicht zugegangen. Karlmanns Sohn war eindeutig um sein Erbe betrogen worden. In der Bibel hieß es, die Sündenschuld der Väter gehe auf die Söhne über. Sie durfte nicht daran denken – und dachte doch an nichts anderes.
    Bang musterte sie ihre eigenen Söhne und vertrieb die bösen Ahnungen, die dabei in ihr aufstiegen. Nein, wies sie sich selbst zurecht, der Heilige Vater, Christi Stellvertreter auf Erden, würde nichts Unrechtes tun. Er ersetzte nur ein verschwundenes Schriftstück. Ganz gleich, wie Bonifatius darüber gedacht hatte. Dieser Gedanke versetzte ihr sogleich einen weiteren Stich ins Herz. Der Erzbischof, der Pippin drei Jahre zuvor zum ersten Mal gesalbt hatte, war tot. Eine Räuberbande hatte ihn und seine zweiundfünfzig Gefährten nur wenige Wochen zuvor in Friesland erschlagen. Der Geistliche, der dem Königspaar die traurige Kunde überbrachte, berichtete, daß an jener Stelle, an der Bonifatius sein Leben verlor, ein Quell mit herrlich süß schmeckendem Wasser aus dem Boden gesprudelt sei. »Und das in einer Gegend, wo es sonst überhaupt kein Wasser gibt!« erklärte der Bote. Bertradas alter Freund war als Märtyrer gestorben, und Gott hatte ein Zeichen gesandt.
    »Eine Frau möchte dich sprechen.« Der Abt des burgundischen Klosters blickte auf den Mann, der sich trotz seiner unsäglichen Gelenkschmerzen auf den nackten Steinboden vor das Kreuz in seiner Zelle geworfen hatte, und fügte hinzu: »Eine sehr hohe Frau.«
    Der Mönch erhob sich und wandte sich um. Eine feuerrote Narbe durchschnitt seinen grauen Bart.
    »Ich bin für keine Frau zu sprechen«, sagte er bestimmt.
    »Sie heißt Flora von Ungarn«, fuhr der Abt fort. »Und sie sagt, daß sie weit gereist sei, um dich zu sehen.«
    Der Mönch legte die Stirn in Falten und schwieg eine Weile. »Dann mag sie eintreten«, sagte er schließlich zögernd.
    Einen Augenblick lang glaubte der Abt, im sonst so ausdruckslosen Gesicht dieses einfachen Bruders höchster Herkunft so etwas wie ein Aufleuchten zu erkennen. Er schöpfte Hoffnung. Vielleicht gelang es ja dieser Besucherin, was keinem Heilkundigen des Klosters gelungen war und kein Gebet bisher bewirkt hatte. Vielleicht hatten die Gebete immerhin diese Frau hierhergeführt, um dem Mann das Leben zu retten. Über das, was ihm fehlte, stritten sich zwar der Mönch, den sie Medicus nannten, und der Apothecarius unentwegt, doch beide waren sich darin einig, daß die Tage des Bruders gezählt waren.
    Der Abt öffnete die Tür, ließ die vornehm gekleidete Frau

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