Die Königsmacherin
anzuvertrauen, und dann mußte er so schnell sterben. Kein Wunder, daß der alte Mann verbittert war! Doch seine nächsten Worte ließen sie entsetzt aufhorchen.
»Ermordet wegen einer Fälschung! Weil er sie nicht zulassen wollte! Konstantinische Schenkung, so nennen sie dieses gefälschte Pergament, dieses Dokument des Satans! Es hat nie eine Konstantinische Schenkung gegeben! Das Ganze ist eine Mär, weiter nichts! Die gesamte Kurie weiß das, und doch hat jeder Kardinal dem schändlichen, sündhaften Betrug zugestimmt!« donnerte der Erzbischof.
Bertrada gefror das Blut in den Adern.
»Was für eine Fälschung?« brachte sie hervor und wußte doch im selben Augenblick alles. Auch, daß ihr jetzt nicht einmal ihr ältester und treuster Freund würde helfen können. Sie durfte den Erzbischof nicht um Absolution für ihre fürchterlichen Sünden bitten, denn es würde ihn vollends vernichten, wenn er auch nur ahnte, daß sie irgend etwas mit dieser Fälschung zu tun hatte. Er glaubte immer noch an sie, glaubte zu wissen, was für ein Mensch sie war. Er vertraute ihr. Sie durfte ihm nichts beichten. Die Seelenruhe des Mannes, der Germanien den Glauben gebracht hatte, war von weitaus größerer Bedeutung als ihre eigene.
»Nach seiner Wahl«, sprach der Erzbischof weiter, »erfuhr der neue Papst, daß Mönche …« Er schleuderte das Wort wie einen Fluch gegen die Wand, »… in seinem Skriptorium eine Urkunde fälschten, die beweisen sollte, daß Kaiser Konstantin der Große dem damaligen Heiligen Vater das italische Land von Byzanz geschenkt habe. Kein byzantinischer Kaiser hätte dergleichen je getan. Stephan gebot diesem verbrecherischen Treiben sofort Einhalt und rief mich zu sich.«
Dunkel konnte sich Bertrada an einen erfreuten Ausruf Pippins erinnern, der nach Erhalt einer Botschaft heiter erklärt hatte, er werde wohl doch nicht gegen seine Brüder, die Langobarden, zu Felde ziehen müssen. Der neue Papst gedenke keinen Krieg gegen König Aistulf zu führen.
»Er sagte mir, er beschränke sich lieber auf das bescheidene Amt des Bischofs von Rom, wenn der Herr dies so wolle«, fuhr Bonifatius fort, »anstatt anderen ihren Besitz zu rauben. Demut sei Christenpflicht, und er schlafe lieber auf Stroh, als mit einer Lüge den Herrn zu verraten.«
Bertrada starrte auf den Strohsack in der Ecke des Gemachs.
»Und Ihr glaubt, daß er deswegen ermordet wurde?« fragte sie tonlos. »Von wem denn?«
»Von wem denn wohl!« donnerte Bonifatius empört. »Hörst du nicht zu? Bertrada, wach auf! Von denen, die sich im Hintergrund der Macht bedienen! Von der Kurie, von geweihten Kirchenmännern, die sich an weltlichen Gütern bereichern wollen! Denen Macht über Land und Menschen wichtiger ist als das Heilige Wort! Solche Leute haben dafür gesorgt, daß Papst Stephan eines schnellen Todes starb. Angeblich an Wassersucht! So heißt es doch immer, wenn die Umstände undeutlich sind!«
»Aber der neue Papst hat doch seinem Vorgänger zu Ehren auch den Namen Stephan angenommen«, flüsterte Bertrada.
»Papst Stephan zu Ehren! Eine Verhöhnung ist das! Stephan I. war ein gottesfürchtiger Mann! Er hat vor fast genau fünfhundert Jahren gelebt, die Ketzertaufe für gültig erklärt und die Widerstrebenden exkommuniziert. Er wurde heiliggesprochen. Der jetzige Heilige Vater nennt sich Stephan II., aber er ist und bleibt für mich der dritte dieses Namens und ohnehin seiner unwürdig. Denn er verdankt dieses Amt einem Frevel. Und er läßt es zu, daß der Gottesstaat auf einer Lüge gründen wird! Ich werde nie wieder nach Rom reisen, Bertrada, und ich werde mich auch nicht in Fulda zur Ruhe setzen, denn die habe ich für immer verloren – mir bleibt nur noch eins.«
»Was denn?« fragte Bertrada mit erstickter Stimme.
»Meine Mission. Ich werde Willibrords Arbeit vollenden und endlich die Heiden Frieslands bekehren. Dafür hat mir der Herr, unser Gott, das Leben verliehen, und ich werde seinem Ruf wieder folgen. So, jetzt weißt du, was mich bedrückt, mein Kind. Erzähl mir jetzt von dir. Liegt dir etwas auf dem Herzen?«
Bertrada schüttelte den Kopf.
Sie schaute in das Gesicht ihres alten Freundes und wußte, daß sie ihn nicht einmal darum bitten durfte, für sie zu beten. Ich werde ihn nie wiedersehen, dachte sie. Gott behüte Bonifatius, seinen aufrechtesten Krieger!
Es war ein großer Tag für den kleinen Karl. Er saß als einziger auf einem Pferd, nickte eifrig, als ihm sein Vater die letzten
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