Die Königsmacherin
dienen könnte. Doch das Mittel half nichts, ihre Tochter kam dennoch auf die Welt. Sie lebte und wurde meine Großmutter. Wenn Gott dir ein Kindlein schenken will, dann wird er seine Gründe dafür haben.« Aber waren die Wege des Herrn nicht immer unergründlich? Teles wußte bei seinen Göttern, daß sie taten, wovon sie sich einen Vorteil versprachen. Ihr Gott hingegen war gerecht und würde ihr schon irgendwie helfen. Stumm betete sie das Vaterunser vor sich hin. Vielleicht war es sündig gewesen, sich die Reden des entlaufenen Sklaven anzuhören. Hätte sie nicht wenigstens den Versuch unternehmen sollen, Teles zu ihrem Gott zu bekehren, um seine Seele zu retten? Hatte ein Sklave, der doch ein Ding war, überhaupt eine Seele? Aber solche Gedanken machten den Aufstieg durch den Wald nur noch mühsamer. Es war entschieden einfacher, für Teles zu beten.
Frau Berta und Karlmann waren so in ihr Gespräch vertieft, daß sie die junge Frau erst wahrnahmen, als sie sich vor dem mit Speisen bedeckten Tisch leise räusperte. Die Magd hatte ihr mitgeteilt, die Herrin wolle mit ihr zu Abend essen.
»Gott im Himmel, das Volk der Awaren hat aber ansehnliche Töchter!« rief Karlmann. Er wischte sich die fettglänzenden Finger an den Ärmeln ab und musterte Bertrada mit unverhohlener Freude. Bertrada starrte auf seine Narbe und lächelte unsicher.
»Setz dich zu uns, Flora.« Frau Berta deutete auf den Platz neben sich. Bertrada schob sich auf die Bank und blickte begierig auf Teller voller Fleisch, Fisch, Honigfrüchte und anderer Leckerbissen, wie sie auch in ihrem Elternhaus aufgetischt worden waren. Als sie nach einer gebratenen Taube griff, schlug ihr Frau Berta leicht auf die Finger und schob ihr ein Schüsselchen mit ekelhaft grauem Schleim hin. »Du ißt heute nur Hafergrütze«, entschied sie. »Um das andere gute Essen wäre es schade, denn du würdest es nicht bei dir behalten. Und dann lüfte bitte ein Geheimnis für uns. Herr Karlmann behauptet, die Awaren bevölkerten Ungarn. Hat er recht?«
Bertrada nickte eifrig und zwang sich, einen Löffel der scheußlichen Speise in den Mund zu nehmen. Sie wußte von den Awaren nur, daß sie den Steigbügel erfunden hatten, der den Männern das Jagen und Kämpfen erleichterte. Um Frau Bertas Mund spielte ein spöttisches Lachen.
»Interessant«, sagte sie gedehnt. »Das Reitervolk der krummbeinigen Hunnen hat also tatsächlich ein so hochgewachsenes Mädchen mit dunkelblonden Haaren und runden grünen Augen hervorgebracht. Wirklich bemerkenswert.«
3
D ER M ÖNCH UND DAS M ÄDCHEN
»Auchdu solltest das Leben ein wenig genießen, Bruder Bonifatius! Es besteht nicht nur aus ora et labora.«
Milo, der Missionsbischof von Trier, lachte seinen Amtsbruder herausfordernd an, strich der jungen Frau neben sich über den leicht gewölbten Bauch und setzte hinzu: »Es wird dem Herrn ein Wohlgefallen sein, daß ich ihm für seine Bistümer in Trier, Reims und Laon einen Erben schenke und meine Linie ihm auch noch in dritter Generation dienen wird!«
Angewidert sprang Erzbischof Bonifatius auf, vergessend, daß ihn seine alten Glieder nach dem langen Ritt noch schmerzten. »Nenn mich nicht Bruder!« donnerte er. »Du bist kein Mann Gottes, sondern des Teufels!«
Er wandte sich keuchend ab, stampfte aus dem Gemach und kehrte, bebend vor Zorn, in die Zelle zurück, die ihm für seinen Aufenthalt in Trier zugewiesen worden war. Schweratmend warf er sich auf die Knie und hob den Blick zum Kreuz. »Herr, ich bin gescheitert«, murmelte er und flehte Gott an, ihm den Haß auf Milo zu verzeihen, auf den Sohn des Bischofs Luitwin, der mit seinem sündigen Lebenswandel das Ansehen der Kirche in große Gefahr brachte.
Als ihm nach der Prima, dem Morgengebet, zugetragen wurde, der austrische Hausmeier Karlmann halte sich derzeit in der Prümer Abtei auf, befahl Bonifatius seinem dreißigköpfigen Gefolge, sich augenblicklich reisefertig zu machen. Eigentlich hatte er den Abstecher nach Prüm verschieben wollen, denn jetzt, nach dem Tod des Hausmeiers Karl und der Wahl des Griechen Zacharias zum neuen Papst, gab es dringlichere Aufgaben, als sich davon zu überzeugen, ob das kleine Kloster im Eifelgau inzwischen tatsächlich von den Regeln des heiligen Columban zu denen des heiligen Benedikt oder zumindest zur regula mixta übergewechselt war. Andeutungen in einem Schreiben der Klosterstifterin gaben zwar Anlaß zur Beunruhigung; aber Vater Gregorius, den er selbst eingesetzt hatte,
Weitere Kostenlose Bücher