Die Königsmacherin
mußt du doch wissen, wenn du in einem Kloster gedient hast.«
»Ja«, sagte Teles, »da wird viel gebetet. Meine Götter lassen sich allerdings nicht so leicht mit Worten beschwichtigen, wenn man sie verärgert. Und wohnt euer Teufel nicht auch in der Unterwelt? Vielleicht ist ja euer Teufel unser Hades!«
»Der Teufel ist gehörnt und hat einen Bocksfuß.«
»Wie Pan. Dann ist euer Teufel eben unser Pan«, entschied Teles. »Hades kümmert sich nicht um das Geschehen auf der Welt. Er ist nur für die Toten zuständig. Pan hingegen hält sich gern unter Menschen auf und liebt die Frauen. Euer Teufel auch, wie ich von den Mönchen weiß.«
Er setzte sich an das Ufer des Baches.
»Warum steigst du nicht in das Wasser und säuberst dich?« schlug er vor. »Dann könnten wir als Mann und Frau des Weges gehen, und keiner wird in mir einen entlaufenen Sklaven erkennen. Und du, du läufst doch auch vor irgend etwas oder irgend jemanden davon, hab ich nicht recht? Du wäschst dich also, und ich passe auf, daß du ungestört bleibst.«
Schaudernd dachte Bertrada an ihr letztes Bad in einem Bach. Sie lehnte ab und erklärte, sie sei eine Büßerin, die einen Auftrag Gottes zu erfüllen habe, und Waschungen seien dabei nicht vorgesehen.
»Es muß wirklich furchtbar sein, nur einen Gott zu haben«, meinte Teles mitfühlend. »Wen kannst du noch um Hilfe anrufen, wenn du seinen Zorn auf dich herabrufst? Oder wenn er sich von dir abwendet? Oder wenn du in Not bist und er gerade einem anderen helfen muß? Und was hat dein Gott davon, wenn du dich seinetwegen quälst? Nein, das ist nicht gut, wenn nur ein Gott für alle Menschen da ist.«
Bertrada wußte darauf nichts zu erwidern, und es wurde ihr unbehaglich, mit einem Heiden über den allmächtigen Gott so zu sprechen, als wäre dieser mit menschlichen Eigenschaften ausgestattet. Aber unbekümmert erzählte ihr Teles unterwegs weitere Geschichten vom Berg Olymp, wo seine Götter wohnten, und von deren Abenteuern. Er freute sich, daß sie den großen Dichter Homer kannte, und zitierte in seiner Muttersprache einige Passagen.
»Es ist sehr schade, daß Griechisch heute nicht mehr gelehrt wird«, sagte Bertrada, Bedauern in der Stimme. »Wenn ich Kinder hätte, würde ich dich bitten, sie darin zu unterrichten.«
Teles lachte. »Vielleicht würde ich es sogar tun. Es ist schon sehr lange her, daß mich jemand um etwas gebeten hat.«
Ihre Wege trennten sich, als die Straße nach Süden abbog. Bertrada schenkte Teles ein kleines Stück ihres getrockneten Wermuts, damit er vor bösen Geistern gefeit sei, und machte sich an einen Aufstieg durch den Wald in nordöstlicher Richtung. Von Teles hatte sie erfahren, daß sie sich im Eifelgau befanden, und da stieg ein Gedanke in ihr auf. Irgendwo in der Nähe zwischen dem Bidgau und dem Ardennengau gab es ein Kloster, das zu Ehren ihrer Geburt gegründet worden war und unter der Obhut ihrer Großmutter stand. Dorthin sollte Gott sie führen, der einzige Gott, den sie kannte und der bisher seine Hand über sie gehalten hatte. Sie bedauerte den Heiden, der zu Göttern betete, die so damit beschäftigt waren, einander zu befehden, zu übertrumpfen und zu überlisten, daß sie dabei wohl kaum immer nur das Wohl der ihnen anvertrauten Menschen im Auge behalten konnten. Zumal sie sich der Menschen aus Eigennutz bedienten. Hatte man je gehört, daß der einzige allmächtige Gott von der Schönheit einer irdischen Frau so geblendet war, daß er sie entführt und entehrt hätte? In ihrem Schoß Halbgötter heranwachsen ließ? Gott hatte Maria nicht begehrt, sondern Jesus war durch den Heiligen Geist in ihren Leib gelangt, nicht durch eine so schändliche Handlung wie jene, die sie am Bachufer selbst erfahren hatte. So konnte kein Gott entstehen, da war sich Bertrada sicher. Aus der Tasche ihres Umhangs zog sie eine Handvoll Wacholderbeeren und begann eine nach der anderen zu kauen. Sie selbst hatte das furchtbare Geschehnis einfach verdrängen wollen, aber die Muhme war immer wieder darauf zurückgekommen, daß sie gesegneten Leibes sein könnte. Gesegnet! Bertrada würgte und spuckte die ziemlich bitteren Beeren wieder aus. »Wacholder hilft nicht immer«, hatte die Muhme zu bedenken gegeben. »In der großen Hungersnot hat meine Ahne den Huf einer Mauleselin verbrannt und die Asche mit Wein getrunken. Sie hatte keine Nahrung für das Kind, das sie erwartete, und sie ängstigte sich, daß es anderen Menschen nach seiner Geburt als Nahrung
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