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Die Königsmacherin

Die Königsmacherin

Titel: Die Königsmacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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Frau Berta befriedigt. »Es ist ein langer Ritt nach Mürlenbach, und ich möchte dort gern vor Einbruch der Dunkelheit ankommen. Zieh dich schnell an.«
    »Ich rate Euch, noch ein paar Tage hierzubleiben«, sagte Bertrada leise. »Sonst verpaßt Ihr hohen Besuch.«
    Frau Berta sah sie überrascht an.
    »Ein Herr mit großem Gefolge. Ein Kreuz wird ihm vorangetragen«, fuhr Bertrada fort. Sie überlegte, ob sie noch hinzusetzen sollte, wer der Besucher war, behielt es aber lieber für sich, da sie nicht wußte, ob sie als vermeintliche Ungarin diesen Mann auch kennen sollte. Wo lag Ungarn überhaupt? War es ein Hof, eine Grafschaft, ein Land oder eine Stadt?
    »Woher weißt du das?« fragte Frau Berta scharf.
    Bertrada hob die Schultern. »Manchmal sehe ich Dinge«, bekannte sie.
    Das stimmte. Sie hatte die Reisegesellschaft gesehen. Nach einigen Tagen des Wanderns über bewachsene Forstpfade war sie nämlich auf einen Weg gestoßen, der mitten durch den Wald schnitt und nach Osten führte. Dankbar war sie ihm gefolgt, allerdings immer auf der Hut vor herannahenden Fuhrzeugen oder Reitern. Die große Gesellschaft hatte sie schon von weitem gehört und sich hinter einem Gebüsch versteckt. Erleichtert erblickte sie das Holzkreuz, das vor einem alten Mann in der Kutte der Benediktiner hergetragen wurde. Der hochgewachsene Geistliche mit dem langen weißen Bart saß sehr aufrecht auf einem edlen Pferd und blickte starr geradeaus. Von diesen Reisenden drohte ihr keine Gefahr. Sie zog sich die Kapuze ihres Umhangs tief ins Gesicht, trat auf die Straße und sprach die beiden Knechte an, die am Ende des Zugs einen mit Gepäck beladenen Ochsenkarren führten.
    Die Männer wichen vor dem Anblick und dem Geruch des Waldwesens zurück und reagierten erst, als sich Bertrada mit so tiefer Stimme wie möglich erkundigte, ob dies die Straße nach Prüm sei.
    Die Männer bekreuzigten sich.
    »Wir sind auf dem Weg nach Trier«, sagte der Jüngere, während sein Gefährte auf die Ochsen einschlug, die einfach stehengeblieben waren und das Wesen anstarrten, das so unvermittelt am Straßenrand aufgetaucht war. »Aber wenn unser Herr dort sein segensreiches Werk vollbracht hat, wird er dieser Straße weiter nach Prüm folgen.«
    »Und wer ist Euer Herr?« erkundigte sich Bertrada.
    »Der Erzbischof Bonifatius«, erwiderten sie stolz. »Der die Eiche der Heiden in Geismar gefällt hat.«
    Bertrada war beeindruckt. Berichte von der Heldentat des Angelsachsen, der den Heiden bewiesen hatte, daß auch ihr höchster Gott gegen den einzig wahren Himmelsherrscher nichts auszurichten vermochte, waren bis nach Laon gedrungen. Bertrada erwog, sich dem Zug anzuschließen, aber die Ochsen hatten sich wieder in Bewegung gesetzt, und der ältere Knecht scheuchte die stinkende Gestalt fort.
    »So, du siehst also Dinge«, wiederholte Frau Berta mißtrauisch. »Hörst du sie auch? Zum Beispiel den Namen des hohen Herrn, der uns beehren wird?«
    »Bonifatius?« flüsterte Bertrada fragend.
    »Wo bist du ihm denn begegnet?« erkundigte sich Frau Berta, während sich die Magd hinter ihr bekreuzigte.
    Bertrada hob die Schultern. »Manches weiß ich einfach«, antwortete sie störrisch.
    Sie hätte ihr beim besten Willen keinen Ort nennen, höchstens erwähnen können, daß die Begegnung hinter einer sehr unangenehmen Steigung etwa sechs Tagesmärsche von Prüm entfernt stattgefunden hatte.
    Der Bischof und sein Gefolge waren nicht die ersten Menschen gewesen, denen sie seit dem Abschied von der Muhme begegnet war. Ein paar Tage lang war sie mit einem entlaufenen Sklaven zusammen gewandert. Er hatte sie am Rand einer Wiese aufgelesen, wo sie nach einer unruhigen Nacht im Wald eingeschlafen war. Nie würde sie das Gesicht des jungen Mannes vergessen, der sich über sie gebeugt und ihr Tropfen seines kostbaren Weines eingeflößt hatte. Er lächelte sie aus samtbraunen Augen so freundlich an, daß ihr nicht einmal einfiel, das Messer zu ziehen. Ein Mensch mit einem solch sanften Blick würde ihr nichts antun. Der Mann sagte ihr später, er habe sich ihrer angenommen, weil sie ein noch bedauernswerteres Geschöpf als er gewesen sei. Die Möglichkeit, einem anderen helfen zu können, habe ihm Grund gegeben, sich noch mehr an seiner eben gefundenen Freiheit zu erfreuen.
    »Und wenn ich feine Kleider und Schmuck getragen hätte?« fragte ihn Bertrada. Er zückte ein Messer und hielt es ihr an den Hals. »Dann hätte ich dich getötet und mir alles genommen, was du

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