Die Königsmacherin
Aberglaube und Wahrsagerei endlich Einhalt geboten wird.«
Tiefrot im Gesicht blickte Bertrada zu Boden. Frau Berta schüttelte wissend den Kopf.
»Beunruhige dich nicht, Flora«, sagte sie sanft. »Du bist keine Wahrsagerin, du weißt nur manche Dinge etwas früher als andere. Diese Gabe kommt von Gott, das wird der Erzbischof sicher bestätigen.«
Bonifatius trat vor und schlug das Kreuzzeichen über Bertrada.
»Gott schütze dich, mein Kind«, sagte er und fuhr fort: »Große Sorge macht mir die Ungelehrtheit der Priester. Gestern hörte ich von einem bayerischen Bischof, der ein Kind auf den Namen des Vaterlandes, der Tochter und des Heiligen Geistes getauft haben soll, weil dies angeblich so in seinem Büchlein stünde.«
»In nomine patria et filia«, rief die Herrin von Mürlenbach laut lachend.
»Schlechte Lateinkenntnisse sind kein Scherz, Frau Berta«, erklärte Bonifatius ernst und wandte sich wieder Bertrada zu.
»Wir haben zwar die Kirchenzucht verschärft, aber was hältst du von den Regeln, die das Verhalten der weltlichen Bevölkerung betreffen?«
»Es ist sehr gut, daß einer Eheschließung künftig für alle eine Verlobung vorangehen soll«, erwiderte Bertrada. Hätte Pippin sie zuvor kennengelernt, wäre es Leutberga nicht möglich gewesen, sich für sie auszugeben.
»Morgen wird Herr Karlmann das Kapitular verkünden«, erklärte der Bischof, »und dazu ist die Herrin von Prüm mit ihrer Begleitung herzlich eingeladen.«
»Sehr erfreulich«, knurrte Frau Berta. »Herr Karlmann hat, wie ich annehme, der Kirche ihr Eigentum zurückgegeben?«
Die Stirn des Bischofs umwölkte sich.
»Noch nicht«, gestand er. »Herr Karlmann hat mir die Schwierigkeiten geschildert, den Edlen ihren Kriegslohn wieder abzunehmen. Aber wir haben uns wenigstens darauf geeinigt, daß dieser Besitz nicht vererbt werden darf und nach dem Tod des Betreffenden wieder in den Schoß der Kirche zurückfällt. Im Gespräch ist auch ein Zins von zwölf Denaren, den Laien an die Kirchen und Klöster bezahlen sollen, deren Ländereien sie bekommen haben, also eine Art von Lehensübereinkunft.«
»Das genügt Euch?« fragte Frau Berta überrascht.
»Natürlich nicht«, erwiderte der Bischof. »Er hat aber versprochen, bestimmte Güter dann zurückzugeben, wenn die Zeiten weniger wirr sind.«
»Auf solche Zeiten können wir wohl lange warten«, murmelte Frau Berta und wünschte dem Bischof eine gute Nacht.
Als sich auch Bertrada entfernen wollte, hielt die Herrin sie zurück.
»Tut mir leid, Flora, aber du mußt heute noch einen wichtigen Brief abfassen, den ich morgen Herrn Karlmann mitgeben möchte.«
Bertrada unterdrückte einen Seufzer. Es war ein langer Tag gewesen, und ein noch längerer lag vor ihnen. Sie konnte die Augen kaum noch offenhalten. Aber bei Frau Bertas nächsten Worten war sie augenblicklich hellwach.
»Einen Brief an meinen Sohn. Karlmann hat mir ein Schreiben von ihm ausgehändigt.« Sie nickte zum Pult hinüber.
»Soll ich es Euch vorlesen?« fragte Bertrada atemlos. Oh wie gut würde es tun, die Schrift ihres Vaters wieder zu sehen, zu lesen, wie es ihm und der Mutter ging und was sich in Laon alles ereignet hatte! Seit ihrer Ankunft in Prüm hatte sie auf solch einen Brief gewartet, sich immer wieder darüber gewundert, daß offensichtlich weder Mutter noch Sohn den Wunsch verspürten, wenigstens schriftlich in Verbindung zu bleiben. Sie wollte den Brief sehen und jeden Buchstaben küssen.
»Nicht nötig. Ich kenne seinen Inhalt, und er war sehr kurz. Schreibe, daß ich mich sehr freuen würde, ihn und Gisela bei mir zu begrüßen, und setze hinzu, daß es wohl keinen geeigneteren Ort gibt, ihren Schwiegersohn kennenzulernen als jenen, an dem soeben Erzbischof Bonifatius die erste Synode zur Neuordnung der Kirche einberufen hat.«
Mit beiden Händen hielt sich Bertrada am Pult fest.
»Sie sollen hierherkommen?« fragte sie stotternd. »Wann?«
»Dann, wann es ihnen paßt, natürlich«, erwiderte Frau Berta, ohne von ihrer Handarbeit aufzublicken. »Und du bist daran schuld.«
»Ich?« Entgeistert starrte Bertrada die Herrin an. Die sah auf und lachte.
»Das ist doch kein Grund zur Aufregung! Du hast doch vor dem Einreiten in Saint Denis gewarnt, weißt du noch? Und es ist ja verständlich, daß Eltern ihre Tochter wiedersehen und deren Gemahl kennenlernen wollen, oder etwa nicht? Also schlug mein Sohn vor, daß sie sich in Prüm treffen sollten, sobald es alle einrichten
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