Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Königsmacherin

Die Königsmacherin

Titel: Die Königsmacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
Vom Netzwerk:
davon, wurde aber von ihren Nachbarinnen eingefangen und ausgepeitscht. Danach rissen sie ihr das Kleid vom Leib, zerstachen ihren Körper und trieben sie mit Spott von einem Gehöft zum nächsten. Schließlich gelang es der entehrten Frau, sich in die Abtei von Prüm zu retten, wo sie zitternd um Beistand bat.
    Abt Gregorius lobte die Nachbarinnen, daß sie als gute Christinnen der ehelichen Treue eine solche Achtung entgegenbrachten, und fragte den Ehemann, ob er seine Frau zurückhaben und selbst züchtigen wolle. Das lehnte dieser jedoch ab. Seine Frau sei vor der Ehe eine Unfreie gewesen und er werde sie auf Grund ihrer Treu- und Kinderlosigkeit jetzt verstoßen.
    »Untreue kann mit dem Tod durch Erhängen gesühnt werden«, erklärte der Abt. Schreiend warf sich ihm die Frau zu Füßen und flehte um Gnade.
    »Was meinst du?« wandte sich Frau Berta flüsternd an Bertrada.
    Voller Entsetzen hatte diese die Anhörung verfolgt. Sie sprang auf und rief: »Und wenn dieser Mann ihr nun Gewalt angetan hat? Soll sie etwa dafür bestraft werden, daß sie schwächer als ein Mann ist …« Frau Berta zog sie auf ihren Sitz zurück. Leises Kichern war den Worten der unbemannten hochschwangeren Frau gefolgt, von der jeder wußte, daß sie zwar unter dem Schutz der Herrin stand, aber offenbar selbst einen sündigen Lebenswandel geführt haben mußte. Wie sonst war der hohe Leib zu erklären?
    »Frau Berta?« fragte der Abt.
    Die Herrin stand auf, beugte sich über die geschundene Frau, die sich am Boden wand, und fragte eindringlich: »Hat dir der Mann Gewalt angetan?«
    Die Frau nickte verzweifelt.
    »Natürlich immer, wenn ihr Mann das Haus verließ!« rief ein Zuhörer höhnisch. Die Menge grölte.
    Frau Berta wandte sich an den Abt.
    »Die Frau hat Haus, Hof und ihren Mann verloren. Sie ist jetzt eine Unfreie. Ich bedarf ihrer Arbeitskraft und werde sie mitnehmen.«
    Damit setzte sie sich wieder.
    Das Murren im Saal verstummte, als sie sich umwandte und jeden einzelnen der Anwesenden kalt und hochmütig zu mustern schien. Inzwischen hatte der Abt den zu einem Gerichtssaal umgewandelten Gastraum der Abtei verlassen und sich in die Kapelle begeben. Hier wollte er darum beten, daß Bischof Bonifatius bald seine angekündigte Synode abhalten würde, damit endlich rechtsgültige Regeln für den Lebenswandel der gläubigen Christen aufgestellt werden würden. Was wirklich erlaubt oder verboten war, wußte eigentlich niemand so genau. Es stand nur fest, daß die Frau der Munt des Mannes unterstellt war und dem Weib dadurch weniger Rechte als ihrem Gatten zustanden. Nach den alten Gesetzen war der Mann nicht zur ehelichen Treue verpflichtet und durfte sich Kebsverhältnisse erlauben. Dies aber stand im Gegensatz zur christlichen Auffassung über die Ehe. Darauf bezogen sich manche Frauen, die sich bei Vater Gregorius über den Lebenswandel ihrer Männer beschwerten. Dem Abt blieb dann nichts anderes übrig, als das Alte Testament zu deren Verteidigung heranzuziehen. Er wußte zwar, daß sich dann manche Frauen versündigten, indem sie versuchten, ihre Männer durch obskure Liebeszauber an sich zu binden, doch er konnte nur dagegen vorgehen, wenn ihm eine solche Tat zu Ohren kam. In einem Fall hatte er sogar von einer öffentlichen Sitzung abgesehen, da die betreffende Frau einen solch abscheulichen Zauber angewandt haben sollte, daß er fürchtete, sich bei der Verhandlung übergeben zu müssen. Und das hätte seiner Autorität mit Sicherheit großen Schaden zugefügt. Er durfte nicht einmal daran denken, was die Frau mit dem lebendigen Fisch angestellt hatte, den sie danach ihrem Mann gebraten vorgesetzt hatte. Augenblicklich begann er zu würgen und lenkte sich dann mit Gedanken an den harmlosen jetzigen Prozeß ab. Er war froh, daß ihm Frau Berta dabei wieder einmal die Entscheidung abgenommen hatte. Allein wäre ihm nämlich wenig anderes übriggeblieben, als die Frau zum Tode zu verurteilen. Das wäre ohne Frau Bertas Einschreiten für die Betroffene selbst auch das Beste gewesen, da sie ohne ihren Mann und nach dem Tod ihres Liebhabers jedes Schutzes beraubt war und niemanden hatte, der sie aufnehmen und sich um sie kümmern konnte. Doch nach jedem Erhängen kam es unter den Zuschauern zu Ausschreitungen, die ihrerseits wiederum zeitraubende Gerichtstage zur Folge hatten.
    Als die beiden Frauen mit der geretteten Aunegilde nach Mürlenbach zurückritten, setzten bei Bertrada unterwegs völlig unerwartet die Wehen ein.

Weitere Kostenlose Bücher