Die Königsmacherin
er sie ungehindert schalten und walten? Wenn es nach Vater Gregorius gegangen wäre, hätte das Konzil in Prüm auch dem Tun einer Frau Berta endlich einen Riegel vorgeschoben und viel weiter gehende rechtsgültige Regeln über das Verhalten, die Besitzansprüche und den angemessenen Platz von Frauen in der Gemeinschaft aufgestellt. Warum nur hatte man das abscheuliche Waldwesen nicht einfach aus dem Klostergarten gewiesen! Es hätte erheblich weniger Unruhe gegeben. Sah denn niemand, daß diese Frau eine Eva war, die das Verderben in sich trug? Bot ihr großer Fuß nicht ausreichend Hinweis auf ihre Verbindung zu Satan? Gut, über die Gerüchte, daß sie dabei gesehen worden war, wie sie das silberne Licht des Mondes austrank, hatte er milde gelächelt. Was wußte das einfache Volk schon von dem Wunder der Mondfinsternis! Aber es hatte ein feines Gespür für das Fremdartige, das Böse, und scheute davor zurück. Außer den babylonischen Huren im Genitium Frau Bertas, natürlich. Die hatten sie als eine der Ihren sofort erkannt, hatten sie willkommen geheißen und arbeiteten ihr zuliebe mehr denn je. Nicht einmal Frau Berta ahnte, wieviel Überwindung es ihn kostete, die Altartücher aus solchen Händen entgegenzunehmen! Und wieviel geweihtes Wasser verwendet werden mußte, um die Tücher vom verderblichen Odem der Sünderinnen zu befreien. Diese Frau hatte ein Kind erwartet, das dann niemals jemand zu Gesicht bekommen hatte. Außer Frau Berta und einer Ehebrecherin. Vater Gregorius verbot sich, an das zu denken, was er sich in einsamen Stunden genauestens ausgemalt hatte – wie dieses fremde Geschöpf aus dem Höllenpfuhl ihr eigen Fleisch und Blut im Beisein der angeblich so frommen Herrin und der sündigen Aunegilde im Wald Satan oder den alten Göttern geopfert hatte. Er sah es genau vor sich – wahrscheinlich hatten die drei Frauen das Kind wie ein Ferkel abgestochen, sein Blut getrunken und dann den Leib noch roh verzehrt. Ihn, Vater Gregorius, konnte man nicht täuschen. Auch er hatte seine Augen und Ohren überall, vor allem natürlich in Frau Bertas Burg. Ein Kaninchen hatte man anstelle des ungetauften Kindes beigesetzt! Noch dazu in Anwesenheit eines Priesters! Nun ja, eines dummen Menschen, der sich Priester nannte, aber weder Latein noch die Liturgie kannte, sich an Frauen erfreute und sich viel auf seine Reliquien zugute hielt. Reliquien! Die Fingernägel eines sogenannten irischen Bischofs, der für eine kurze Weile die ganze Gegend in Verzückung versetzt und mit seinen abgeschnittenen Haaren und Nägeln versorgt hatte. Der Abt schüttelte sich.
»Sprecht Ihr mit Gott dem Herrn, ehrwürdiger Vater?« fragte Frau Gisela ehrfurchtsvoll. Der Abt erwachte aus seinem Albtraum und bedachte Bertradas Mutter mit einem freundlichen Blick. Diese brave Frau hatte offensichtlich keine Ahnung, in was für eine Familie sie eingeheiratet und welcher Kreatur sie das Leben geschenkt hatte!
»Ja«, murmelte er und zwang sich in die Gegenwart zurück. Er durfte gar nicht erst anfangen, sich auszumalen, was für Gerüchte trotz Pippins Drohung in Prüm – und nicht nur dort! – nun die Runde machen würden. In ein paar Tagen war die illustre Gesellschaft abgereist, seine Abtei aber würde noch Monate, wenn nicht Jahre unter den Folgen dieser üblen Geschichte leiden. Hatte man im Saal verstehen können, daß Flora sich als Bertrada von Laon ausgegeben hatte? Wußten die Prümer, daß eine Frau eben dieses Namens mit dem Hausmeier Pippin verheiratet war?
»Natürlich keine öffentliche Hinrichtung!« versetzte Pippin jetzt und betrachtete den Abt, als wäre der nicht bei Sinnen.
»Aber bevor wir uns der drei und ihrer Mitwisser ohne großes Aufsehen entledigen, möchte ich sie mir noch einmal ansehen. Nur deshalb werden sie hierher nach Prüm gebracht.«
»Sie werden nicht kommen«, murmelte Bertrada.
»Glaubt Ihr, meine liebe Bertrada«, wandte sich Pippin an die junge Frau, »daß eine Leutberga, die von hübschen neuen Schuhen träumt, auf einer Reise den Stand von Sonne und Sternen verfolgt?«
Zum ersten Mal bewegte der Hausmeier Bertrada zu einem leisen Lächeln.
»Nein«, gab sie zu. »Leutberga nicht, aber Mima …«
»Wie schön Ihr doch ausseht, wenn Ihr lächelt! Keine Sorge, meine Vertrauten werden die reiche Frau Mima und ihren Gatten richtig zu behandeln wissen«, beschied ihr Pippin kurz.
Die reiche Frau Mima. Bertrada sah ihre Mutter an. Um Frau Giselas Mund hatten sich Falten gebildet,
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