Die Königsmacherin
und sich selbst eine Legitimation zu verleihen.
Bertrada verspürte nicht die geringste Lust, über Synoden, das Reich oder andere politische Angelegenheiten zu debattieren. Sie wollte mit ihren Eltern Zusammensein und so tun dürfen, als wäre alles wieder beim alten.
»Wie lange werdet ihr hier bleiben?« fragte sie ihren Vater. Gräfin Gisela antwortete: »Solange du wünschst, Bertrada.«
Frau Berta verzog das Gesicht.
»Wir sollten bei dem Namen Flora bleiben«, entschied sie. »Wenigstens so lange, bis die unechte Bertrada verschwunden ist.«
»Richtig!« stimmt ihr Pippin zu. »Und auch noch danach – bis die unechte Flora ebenfalls verschwunden ist. Also etwa in einem halben Jahr.«
»In drei bis vier Jahren.«
»Und wir bleiben solange bei unserer Tochter!« rief Frau Gisela.
Graf Charibert spürte mit einem Mal eine Kälte in seinen Knochen, die nichts mit den winterlichen Temperaturen zu tun hatte.
»Ich kann nicht so lange von Laon fernbleiben«, murmelte er. Der Gedanke, mehr als nur ein paar Tage mit seiner Mutter zu verbringen, war ihm unerträglich, dagegen konnte selbst die Liebe zu seiner Tochter nichts ausrichten.
»Mein Sohn«, sagte Frau Berta mit einer Stimme, die selbst Eisen geschmolzen hätte und die Bertrada noch nie an ihr vernommen hatte, »du wirst selbst am besten wissen, wann und wie lange dein Kind dich braucht.«
»Die Krüge sind leer«, verkündete Pippin. »Meine Gemahlin und ich werden uns jetzt schlafen legen.« Er blickte Bertrada herausfordernd an. »Kommt jetzt mit mir«, sagte er.
Bertrada schrak zusammen.
»Ich habe niemanden geheiratet«, wiederholte sie starrköpfig. Sie wußte jedoch, daß sie keine Wahl hatte, sich der Macht all dieser Menschen am Tisch zu entziehen. Wieder einmal war sie anderen ausgeliefert.
»Willst du, Bertrada, deinen Eltern gehorchen, dein eigenes Wort ehren und Herrn Pippin zum Mann nehmen?« fragte Frau Gisela mit der gleichen Stimme, mit der sie ihre Tochter einst gebeten hatte, doch mehr Interesse für den Kräutergarten aufzubringen. Ja, das war die Mutter, die sie kannte und liebte. Der Dämon hatte sich zurückgezogen. Vor Bertradas Gesicht erschien die Goldraute. Sie nickte.
»Ja, Mutter«, murmelte sie verstört.
Sie überließ ihre Hand Pippin, dem Mann, den ihr Vater für sie ausgewählt und der ihr einst Gewalt angetan hatte. Ihre Eltern irrten sich nicht. Gott auch nicht. Es war so bestimmt. Sie hätte sich damals nicht im Bach abkühlen und heute nicht in der Versammlungshalle erscheinen dürfen.
Ich werde mich also in das Unvermeidliche fügen, beschloß sie. Wenigstens nach außen hin. Welch einen Unterschied macht es schon, ob ich in Frau Bertas Haushalt oder in dem des Hausmeiers den Dienstboten Anweisungen gebe? Als Ehefrau und Herrin werde ich ein viel größeres Wirkungsfeld haben. Sogar Macht. Auch über den Schänder Pippin. Ich werde ihm nie verzeihen, was er mir angetan hat! Die Rache ist mein, spricht der Herr, und er wird mich zu seinem Werkzeug machen! Pippin soll eines fürchterlichen Todes sterben! Danach bin ich frei, Karlmann zu heiraten und mit ihm über das gesamte Reich zu herrschen. Vielleicht können wir sogar den König absetzen und uns selbst krönen lassen! Wir werden dann Bonifatius an den Hof holen, uns des päpstlichen Segens versichern und die fränkische Kirche mit der römischen vereinigen. Wir werden ein neues Königsgeschlecht begründen! Ich sehe alles vor mir! Vielleicht haben die Leute ja recht, wenn sie behaupten, ich könne in die Zukunft sehen. Ja, ich werde Ehefrau und Mutter von Königen sein – wenn ich Pippin endlich losgeworden bin!
Pippin musterte sie versonnen und streichelte sanft ihre Hand. Er begriff nicht, weshalb sie sich so hartnäckig gegen die Heirat mit ihm gewehrt hatte, aber jetzt war ja die Ordnung wiederhergestellt. Ein Mädchen, das ihren Eltern gehorchte, würde sich auch den Wünschen des Gatten fügen. Er versuchte in ihrem Gesicht zu lesen, glaubte den Widerstreit der Gefühle in ihr deuten zu können und freute sich über das leicht triumphierende Lächeln, das sich mit einemmal in ihre Mundwinkel gestohlen hatte. Endlich hat sie verstanden, daß es ihr nur zum Vorteil gereichen kann, meine Frau zu sein, dachte er. Und vor allem: Sie gefällt mir, sie gefällt mir sogar sehr gut!
Er erhob sich.
»Wir werden uns jetzt in unsere Gemächer zurückziehen. Ich wünsche allen eine gute Nacht.«
Als Bertrada ihre Großmutter umarmte, flüsterte diese
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