Die Königsmacherin
vorgezogen, mit seiner Frau die Nächte zu verbringen, aber er begriff, daß sie ihn für das Leid, das er ihr verursacht hatte, strafen wollte. Er nahm die Buße scheinbar gleichmütig an, küßte Bertrada höchstens einmal die Hand und gab sich Mühe, ihr zu beweisen, daß er keinesfalls das Ungeheuer war, für das sie ihn anscheinend immer noch hielt. Er zeigte ihr, wie sehr er sie achtete und ihre Meinung schätzte. Wenn sie ihm gegenüber scharfe Worte fallen ließ, wies er sie nicht zurecht, sondern erwog laut, inwiefern sie mit ihrer Behauptung tatsächlich recht haben könnte.
Allmählich begann Bertrada in ihm einen sehr verständigen, ja, einfühlsamen Menschen zu sehen, auch wenn sie ihm immer noch keine Zuneigung entgegenbringen konnte. Sie verglich ihn mit seinem Bruder und stellte fest, daß sich Pippin bei seinen Entscheidungen stets von seinem klaren Verstand leiten ließ und erheblich weniger auf seine Gefühle hörte als Karlmann. Sehr deutlich wurde dies, als beide Brüder in Mürlenbach zusammentrafen, um endlich eine gemeinsame Synode in Pippins Reichsgebiet vorzubereiten.
Bertrada hatte dem Besuch Karlmanns mit Bangen entgegengesehen. Ihr war noch unbehaglicher als früher zumute, daß sie ihn über ihre wahre Stellung im dunkeln lassen mußte. Sie fürchtete auch, daß er sich verraten oder sich seinem Bruder anvertrauen würde. Nicht auszudenken, wie beide auf die jeweilige Eröffnung des anderen reagieren könnten! Bertrada verstieg sich sogar zu dem Gedanken, daß der Streit um sie selbst das ganze Erbe Karl Martells gefährden könne. Sie nahm sich vor, beiden Brüdern mit gleicher Freundlichkeit zu begegnen. Das aber führte dazu, daß sie Pippin erheblich wohlwollender behandelte, als er es von ihr gewöhnt war, und dies ließ ihn wiederum neue Hoffnung schöpfen.
Sie war bei den meisten Gesprächen der Brüder nicht nur zugegen, sondern nahm sogar auf Pippins ausdrücklichen Wunsch auch aktiv daran teil. Der Hausmeier war sehr beeindruckt von dem, was Pater Fulrad seiner Frau gelehrt hatte.
Er ahnte nicht, daß auch die schwarzen Ränder unter Bertradas Augen die Folge von Pater Fulrads Unterricht waren, da sie während der Nachtstunden in ihre künftigen Aufgaben eingewiesen wurde. Er hatte es abgelehnt, die Kapelle Frau Bertas zu betreuen, verbrachte aber tagsüber viele Stunden mit dem Amtsbruder, der Vater Gregorius solch ein Ärgernis war. Bertrada lachte, als Pater Fulrad ihr Episoden aus diesen Begegnungen erzählte. So hatte er den schlichten Geistlichen dazu gebracht, sich sowohl von seinen beiden Frauen als auch den abgeschnittenen Fingernägeln des irischen Bischofs zu trennen, und er hatte sogar ein neues Glaubensfeuer im Herzen des Priesters entfacht. Dem hatte es bis zum Eintreffen Fulrads viel Kopfzerbrechen bereitet, seiner Gemeinde Beweise für die Anwesenheit des lebendigen Gottes zu liefern, und nun erfuhr er von einem Mann in Rom, der die Sandalen Christi besaß und durch den der Herrgott seine Botschaften verkünden ließ. Einem solchen Heiligen gebührte in der Tat erheblich mehr Verehrung als einem Iren, der sich selbst zum Bischof ernannt hatte und seine eigenen Fingernägel als Reliquien verteilte! Verzückt lauschte der Priester den Worten Pater Fulrads und erwog eine Pilgerreise nach Rom. Fulrad wußte allerdings sehr wohl, daß dies weniger seinen Argumenten als vielmehr seinem adligen familiären Hintergrund und seiner Stellung zu verdanken war. Der künftige Abt von Saint Denis, der sich im Zentrum der Macht bewegte, war für den einfachen Geistlichen eine unumstrittene Autorität. Dazu fiel Fulrad ein, wie ehrfurchtsvoll der ins Kloster verbannte Herzog Hunoald von Aquitanien auf der Ile de Ré von den anderen Mönchen behandelt wurde. Die Kutte machte eben doch nicht alle gleich.
Hocherfreut zeigte sich der Geistliche von Mürlenbach über verschiedene Zeremonien, in die ihn Pater Fulrad einführte. So erfuhr er, daß es ein Verfahren gab, mit dem ein Acker fruchtbarer gemacht werden konnte: Vor Sonnenaufgang gruben die beiden Gottesdiener vier Erdklumpen von den vier Seiten eines Ackers unterhalb der Burg aus und besprengten sie mit Weihwasser, Öl und Milch. Sie streuten einige Pflanzen darauf und betupften das Ganze mit Honig. Danach sprach Pater Fulrad auf Latein einige Segenssprüche und trug die Erdklumpen in die Burgkapelle. Er überließ es dem einheimischen Priester, die vier erforderlichen Messen zu lesen und die gesegnete Erde vor
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