Die Königsmacherin
ab, als sich die Holzpforte zum Garten öffnete. Eine Magd bat Bertrada in einer dringenden Angelegenheit zu Frau Berta.
»Schaut Euch in Ruhe um, Gräfin«, rief Bertrada ihrer Mutter zu und schenkte ihr ein schelmisches Lächeln. Frau Gisela tat, wie ihr geheißen, und stieß beim Rundgang bald auf Aunegilde, der nichts Besseres eingefallen war, als sich hinter dem Strauch schlafend zu stellen. Mit geschlossenen Augen dachte die Magd über das nach, was sie soeben gehört hatte. Frau Flora war also die Tochter der Gräfin Gisela, somit die Enkelin der Herrin und die Schwester der Gattin des Hausmeiers Pippin! Es könnte verschiedene Gründe dafür geben, weshalb dies vor aller Welt geheimgehalten wurde. Entweder war die junge Frau einer unglücklichen Ehe entflohen – wofür Aunegilde großes Verständnis hätte – oder aber, sie hatte sich als Unverheiratete von einem nicht standesgemäßen Mann schwängern lassen. Aunegilde, die wegen ihrer eigenen Vergangenheit beim Gesinde nicht sonderlich gelitten war, sah endlich eine Möglichkeit, sich mit ihrem neuerworbenen Wissen bei den anderen Achtung zu verschaffen.
»Entschuldigt, Frau Gräfin, entschuldigt!« Hastig sprang sie auf die Füße, als sie fand, Floras Mutter habe genug an ihr gerüttelt. »Mich hat die Frühjahrssonne wohl schläfrig gemacht!« setzte sie hinzu. »Ich habe Euch nicht kommen hören.« Sie senkte unterwürfig den Kopf.
Die Gräfin erkundigte sich freundlich nach ihrem Namen, riet ihr, doch wieder an die Arbeit zu gehen, und begann selbst damit, sich im Garten nützlich zu machen.
Als sie gerade von einem sehr gepflegten kleinen Beet ein paar Schneeglöckchen pflückte, stellte sich Aunegilde neben sie und blickte dabei so angstvoll drein, daß Frau Gisela freundlich fragte: »Was hast du denn?«
»An dieser Stelle …«, begann Aunegilde zögernd, »da darf sich nur Frau Flora selbst zu schaffen machen …«
»So?« fragte Frau Gisela verwundert. »Aber ich sehe nichts besonderes darauf, nur Blumen.«
»Es geht um das, was darunter liegt«, flüsterte Aunegilde.
»Ein Versteck?« fragte Gräfin Gisela belustigt und griff sofort zu einer kleinen Holzschaufel.
»Hier liegt doch Frau Floras Sohn!« rief Aunegilde, entsetzt bei dem Gedanken an das, was Frau Gisela zutage fördern könnte.
Gräfin Gisela sah sie verständnislos an.
»Frau Floras Sohn!« wiederholte Aunegilde. »Hat sie Euch das nicht gesagt? Wo Ihr doch ihre Mutter seid!«
Zu spät fuhr sie sich mit der Hand an den Mund.
»Ich weiß nicht, wovon du sprichst«, sagte Gräfin Gisela gleichbleibend leutselig.
Nicht nur der Leichnam Fulcos wurde zwei Tage später aus der Prüm geborgen. Da sich niemand erklären konnte, wie die in Mürlenbach lebende Aunegilde so weit entfernt den Tod gefunden haben konnte, einigte man sich darauf, daß Gott selbst die Ehebrecherin endlich ihrer gerechten Strafe zugeführt hatte. Nicht einmal Frau Berta ahnte, daß letztendlich ein enthäutetes, vergrabenes Kaninchen Aunegildes Schicksal besiegelt hatte. Aber die tote Frau war sofort vergessen, als man vernahm, daß sich der Hausmeier Pippin erst so kurz nach seinem letzten Besuch schon wieder auf dem Weg in den Eifelgau befand. Zunächst kam ein gewisses Befremden auf, als er in Mürlenbach und nicht in der Prümer Abtei abstieg. Doch dann erfuhr man, daß er im Einvernehmen mit seinem Bruder diesen Teil Austriens in seinen Machtbereich einbezogen hatte, und begriff, daß es mit der Herrin von Mürlenbach einiges zu regeln galt. Schließlich hatte sich auch sein Vorgänger Karlmann oft mit Frau Berta besprochen.
Es berührte Bertrada seltsam, daß Pippin jetzt auf der Burg Mürlenbach in eben jenem Raum schlief, in dem sein Bruder sie einst um ihre Hand gebeten hatte. Pippin begegnete ihr mit größter Achtung, und es erstaunte sie doch etwas, daß er nicht ein einziges Mal Anstalten gemacht hatte, ihr körperlich nahe zu kommen. Auch Frau Berta hatte dies mit Verwunderung, aber auch mit einer gewissen Befriedigung festgestellt. Solange ihre Enkelin nicht schwanger wurde, gab es keinen Grund für sie, offiziell als Gemahlin Pippins an seinen Hof zu ziehen. Da sie schon ahnte, daß Gott sie selbst bald zu sich nehmen würde, wünschte sie Bertrada um sich, solange sie lebte. Dies war auch der Grund, weshalb Frau Berta so tat, als merkte sie nicht, daß sich ihre Kammerfrau nun jede Nacht für kurze Zeit in das Zimmer des Hausmeiers schlich.
Natürlich hätte Pippin es
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