Die Königsmacherin
Sonnenuntergang dem Acker zurückzugeben. »Du wirst sehen, Bruder, im nächsten Jahr wird hier das höchste Korn der Gegend wachsen«, versicherte Fulrad. Eine alte Frau, die das Geschehen beobachtet hatte, nickte wohlwollend. Sie konnte sich noch gut daran erinnern, daß ihre Vorfahren das Ackerland einst auf ähnliche Weise fruchtbarer gemacht hatten. Nun ja, die Erde war damals unter der Linde abgelegt und die Segenssprüche waren in einer dem Volk verständlichen Sprache gemurmelt worden, aber geholfen hatte es noch allemal. Es war doch sehr erfreulich, daß man sich wieder der alten Riten besann, um die Kräfte der Natur anzuspornen!
Bertrada saß indes im Burgfried und lauschte besonders aufmerksam, als die beiden Brüder darüber stritten, ob sie Bonifatius nun zur gemeinsamen Synode einladen sollten oder nicht. Pippin hielt dies für unklug, da die meisten fränkischen Bischöfe Bonifatius inzwischen skeptisch gegenüberstanden.
»Seine Zeit ist vorbei, das hat auch der Papst erkannt«, erklärte er. »Sonst hätte er ihn nicht mit dem Bistum Mainz abgespeist, sondern ihm den Stuhl in Köln überlassen.«
»Eine völlig falsche Entscheidung!« ereiferte sich Karlmann. »Von Köln aus hätte der Erzbischof viel größeren Einfluß auf Friesland und könnte dieses Volk endgültig bekehren!«
»Was schert uns jetzt Friesland!« erwiderte Pippin mißmutig. »Bonifatius soll sich damit zufriedengeben, daß ihm der Papst den Ehrentitel Sancta Sedes Moguntina verliehen hat.«
»Heiliger Stuhl von Mainz«, übersetzte Bertrada. »Etwas wenig für einen Mann, der doch fast das ganze Land dem rechten Glauben zugeführt hat.«
»Er ist einfach zu hitzköpfig«, befand Pippin. »Für die Verhandlungen mit Rom brauchen wir jetzt geschicktere Männer, die etwas von Diplomatie verstehen. Außerdem müssen wir uns die Adelsfamilien gewogen halten, die schon immer ein Recht auf die Bischofssitze hatten. Bonifatius sollte sich damit begnügen, daß der Papst auf seinen Wunsch hin Bischof Milo abgesetzt hat.«
»Nur in Reims. Das Bistum Trier hat er behalten«, warf Bertrada ein.
»Wie auch seinen sündigen Lebenswandel«, setzte Karlmann grimmig nickend hinzu.
»Bischöfe sind eben auch Männer«, meinte Pippin und sah Bertrada mit einem Blick an, der bei Karlmann Bestürzung auslöste. Sein Bruder begehrte diese Frau! Fast atemlos musterte er Bertradas Gesicht, das zunächst hart, fast versteinert geworden war, aber ganz plötzlich wieder weich wurde, als sie beinahe liebevoll bemerkte: »Und das bedeutet wohl, daß sie sich alles nehmen dürfen, wonach sie verlangen?«
Karlmann entging der warnende Blick nicht, den Pippin der jungen Frau zusandte. Er hat es getan, dachte er betroffen, er hat sich diese Frau genommen, und sie hat es zugelassen! Sie hat einen Mann erhört, der doch die Frauen noch häufiger als seine Pferde wechselt! Ich hätte ihr die Welt zu Füßen gelegt, aber mir gegenüber hat sie die Unnahbare gespielt!
Beinahe keimte in ihm so etwas wie Haß gegenüber Flora auf. Daher reiste sein Bruder also jetzt so oft nach Mürlenbach! Er vergnügte sich auf der Burg, die der Großmutter seiner eigenen Ehefrau gehörte, mit einer Buhle!
Pippin glaubte fälschlich, die Regungen, die sich im Gesicht seines Bruders spiegelten, deuten zu können. Er war überrascht, daß sich Karlmann das Schicksal Bonifatius' so sehr zu Herzen nahm, und brachte ein neues Argument ins Gespräch ein: »Die Alemannen widersetzen sich allem, wofür Bonifatius steht, und ihre Mönche und Geistlichen lachen ihn sogar aus.«
»Uns gestehen sie ja auch nicht das Recht zu, Macht auszuüben«, murmelte Karlmann, immer noch mit der Ungeheuerlichkeit seiner Entdeckung beschäftigt.
»Genau!« bekräftigte Pippin. »Und deshalb solltest du gleich nach der Synode dorthin reisen und endlich Ordnung schaffen.«
Das tat Karlmann, und sein unbarmherziges Vorgehen sollte als das ›Blutgericht von Cannstatt‹ in die Geschichte eingehen. Seine Kampfgefährten berichteten später – und bekreuzigten sich dabei stets –, es war, als hätte sich ein Dämon des älteren Hausmeiers bemächtigt, als er den Gerichtstag in Cannstatt einberief und sämtliche Stammesherzöge der Alemannen bis auf den letzten Mann niedermetzelte. Die Fürsten des aufsässigen Volkes konnten sich nicht wehren, denn sie waren – wie es Recht und Gesetz forderten – waffenlos zur anberaumten Zusammenkunft erschienen. Nach gültiger Rechtsprechung war dies
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