Die Königsmacherin
Macht überläßt. Zwei Menschen, die noch dazu keinerlei rechtmäßige Befugnis besitzen, entscheiden willkürlich über Krieg und Frieden und müssen sich vor niemandem verantworten, wenn sie Recht und Gesetz brechen«, erklärte Bonifatius und setzte hinzu: »Nein, derlei schafft der Ordnung keine Grundlage, sondern verursacht Chaos und wird nur weiteres Verderben nach sich ziehen.«
Pippin unterdrückte eine scharfe Erwiderung. Er dachte daran, wieviel geschickter doch Pater Fulrad und Bischof Chrodegang genau die gleiche Kritik vorgebracht hatten. Früher hatte er Bonifatius vornehmlich wegen seines rüden Umgangstons und der Unverblümtheit seiner Rede nie sonderlich ernst genommen. Damals hielt er ihn nur für einen starrköpfigen Eiferer, der zwar als Bekehrer heidnischer Stämme nützlich war, aber von weltlichen Dingen nichts verstand. Bertrada hatte ihn jedoch eines Besseren belehrt und daraufhingewiesen, um wieviel näher Bonifatius doch sein Ohr am Geschehen im Lande hatte als Pippins eigene geistliche Berater, die, hinter Klostermauern der Welt entzogen, ihre Weisheiten vor allem den alten Schriften entnahmen.
»Ich weiß, was Ihr mit meiner Gemahlin beredet habt«, versetzte Pippin. »Aber was soll ich denn tun? Ich kann doch nicht einfach einen bereits besetzten Thron besteigen! Und die fränkischen Fürsten werden mich wohl kaum zu ihrem König wählen! Schließlich bin ich genau wie sie dem König Childerich durch meinen Treueid verpflichtet. Und den habe ich auch in diesem Jahr auf dem Märzfeld wieder erneuert. Nur Gott kann mich von diesem Eid entbinden.«
»Oder jener, dem Gott die Vollmacht auf Erden erteilt hat«, ergänzte Bonifatius leise. Er wandte den Blick von dem Trümmerfeld ab. »Ich werde jetzt Euren Bruder aufsuchen«, verkündete er, wandte sich abrupt ab, ohne Pippin eines weiteren Blickes zu würdigen, stieg die Holzstufen hinunter und schritt hinüber zum Schweinestall.
»Sollten wir nicht wenigstens einmal nachsehen?« fragte Bertrada ihren Mann voller Unruhe. Sie hatte sich nicht vom Fenster gerührt, seitdem Karlmann den Erzbischof tatsächlich in den Stall eingelassen hatte. »Es sind schon so viele Stunden vergangen!«
In diesem Augenblick öffnete sich die Tür des Schweinestalls, und beide Männer traten heraus. Karlmann hielt das Haupt tiefgebeugt. Der Erzbischof schlug das Kreuzzeichen über ihm, wandte sich aber nicht zum Haus, sondern rief seinen Schreiber Stephan zu sich, der in respektvoller Entfernung vor dem Stall auf seinen Herrn gewartet hatte. Bonifatius sprach eindringlich auf ihn ein, während Karlmann immer noch in demütiger Haltung vor der Stalltür verharrte. Schließlich wandte sich Bruder Stephan um und eilte zum Gutshaus.
Bertrada verließ hastig ihren Fensterplatz und stellte sich dem jungen Mönch in den Weg. Er hätte sie wegschieben müssen, um ins Haus zu gelangen.
»Was geschieht jetzt?« fragte sie drängend. Der Schreiber sah sie mit sehr ernsten Augen bittend an.
»Verzeiht, Herrin, es ist nicht an mir, Euch dies mitzuteilen. Ich muß eiligst ein Schriftstück aufsetzen.«
Unwillkürlich trat Bertrada zur Seite und ärgerte sich schon im nächsten Augenblick darüber. Hätte sich Frau Berta mit einer solchen Antwort zufriedengegeben? Während sie noch überlegte, wie sie von dem Schreiber Aufklärung verlangen könnte, war auch Bonifatius schon in das Haus zurückgekehrt.
»Laßt ein Pferd satteln«, sprach er. »Herr Karlmann wird noch heute fortreiten.«
»Und wohin?« fragte sie gespannt.
Bonifatius blickte sie ungewöhnlich milde lächelnd an und erwiderte: »Nach Rom.«
»Dann lasse ich seinen Männern Bescheid geben«, erklärte Pippin trocken.
»Das ist nicht erforderlich«, widersprach Bonifatius. »Herr Karlmann wird ohne Gefolge reisen!«
Entgeisterte Blicke trafen den Erzbischof.
»Das darf ich nicht zulassen!« fuhr Pippin schließlich auf. »Er ist schließlich Hausmeier des Reiches!«
Der Erzbischof hob die Hand.
»Soviel kann ich Euch jetzt schon sagen: Es gibt nur noch einen Hausmeier im Frankenland.«
»Und der heißt wohl kaum Karlmann«, murmelte Bertrada nachdenklich.
Nachdem Karlmann am Abend fortgeritten war, ohne auch nur seinem Bruder und Bertrada Lebewohl zu sagen, erfuhren sie von Bonifatius das Ergebnis ihrer Besprechung. Karlmann habe sämtlichen Ämtern entsagt und befinde sich auf dem Weg nach Rom. Er wolle sich Papst Zacharias zu Füßen werfen und ihn um die Gnade bitten, ihm die niederen
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