Die Königsmacherin
war außer sich.
In kürzester Zeit hatten die Flammen vom Haus des Abts auf die anderen Klostergebäude übergegriffen und fraßen sich gierig durch das trockene Holz der Abtei. Eine Stichflamme schoß aus dem Küchenhaus in die Höhe, und der Funkenflug setzte sofort das Dach der Versammlungshalle in Brand. Wie lebende Fackeln stürzten schreiende Mönche aus den Häusern. Manch einer schaffte es nicht rechtzeitig, sich in die Prüm zu werfen, andere wurden von herabstürzenden Balken erschlagen. Das Gasthaus, die Stallungen und die Vorratshallen brannten bald lichterloh, und tiefschwarze Rauchschwaden quollen dem Himmel entgegen. Ein Pferd, das sich hatte losreißen können, jagte mit flammender Mähne über den Klostervorplatz, zertrampelte einen flüchtenden Mönch und brachte das Feuer dorthin, wohin es der Wind noch nicht getragen hatte. Mit Getöse stürzte das Dach der Versammlungshalle ein. Jetzt stand die gesamte Abtei in Flammen.
Voller Entsetzen eilte Bertrada den Hang hinunter. Sie stürzte mehrmals, obwohl das ganze Umfeld jetzt fast taghell erleuchtet war. Am Rande des Infernos erblickte sie eine reglose Gestalt, die auf dem Boden hockend geradezu darauf zu warten schien, vom Feuer erfaßt zu werden.
»Fort! Fort!« schrie sie. Erst als die Gestalt sich langsam zu ihr umwandte, erkannte sie Karlmann. Sie stürzte auf ihn zu und griff nach seiner Hand. Ein Schmerzenslaut entfuhr ihm.
»Mein Gott, die Hände sind ja ganz verbrannt!« rief sie und griff unter seine Achseln, um ihn aus der gefährlichen Nähe des Feuers zu ziehen. Doch er war zu schwer für sie.
»Steh auf, Karlmann!« rief sie verzweifelt. »Du darfst nicht sterben!«
Er erhob sich und wandte ihr ein rußgeschwärztes, völlig ausdrucksloses Gesicht zu.
8
G EFÄHRLICHE G EHEIMNISSE
»Acht Menschen haben ihr Leben in den Flammen lassen müssen«, sagte Bonifatius, als er neben Pippin auf dem Vorbau des Prümer Gutshauses stand. Beide Männer waren sofort in den Eifelgau aufgebrochen, als die Kunde von der Katastrophe sie erreicht hatte. Jetzt blickten sie erschüttert auf die verwüstete Klosteranlage. Von hier aus war das ungeheure Ausmaß der Zerstörung am deutlichsten zu erkennen und ließ erahnen, welches Grauen mit den Verheerungen einhergegangen war. Noch eine Woche nach der Feuersbrunst suchten Mönche, Bauern und Hörige in der Ruine nach Brauchbarem, zogen verbrannte Tierkadaver und verschmorte Kisten hervor, sammelten Metallstücke und herumliegende Steine sowie alles andere ein, was sich noch irgendwie verwerten ließ. Es war nicht mehr zu erkennen, wo die Kapelle einst gestanden hatte, die Brauerei lag in Trümmern, und von der eindrucksvollen Versammlungshalle, die Frau Berta hatte erbauen lassen, zeugte nur mehr ein schwarzer Schutthaufen.
»Auch Abt Gregorius hat sich nicht mehr retten können«, versetzte Pippin, »und mein Bruder ist dem Inferno nur mit knapper Not entronnen. Aber er ist seitdem wie von Sinnen. Ich bete zu Gott, daß es zumindest Euch gelingen wird, mit ihm zu reden. Mich läßt er nicht zu sich. Und auch sonst niemanden.«
Tatsächlich war der Erzbischof der einzige, den Karlmann noch sprechen wollte. Seit der Nacht des Feuers hatte er sich im Schweinestall des Gutshauses verbarrikadiert und stieß Drohlaute aus, wann immer sich ihm jemand näherte. Angstvoll und hastig stellten die Diener die Wannen mit dem Futter für die Schweine vor die Tür und flohen sofort wieder die Nähe des offensichtlich Umnachteten. Wenn niemand mehr zugegen war, nahm Karlmann die Behälter, fütterte mit den Essensresten des Tages die Schweine – und ernährte sich davon wohl auch selbst.
Bertrada hatte mehrmals versucht, mit dem älteren Hausmeier ins Gespräch zu kommen, doch er hatte weder auf ihre Worte reagiert noch Speisen, Kleidung oder Decken angerührt, die sie ihm hatte bringen lassen.
»Er tut Buße«, meinte jetzt der Erzbischof in strengem Ton.
Verblüfft starrte Pippin ihn an. »Wofür denn nur?«
»Cannstatt«, erklärte der Erzbischof hart und musterte Pippin durchdringend. »So etwas darf nie wieder geschehen!«
Betroffen blickte der Hausmeier zu Boden, sagte dann: »Ist es denn so verwunderlich, daß einer zum Unrecht seine Zuflucht nimmt, wenn ihm ohnehin kein Recht zugestanden wird? Mein Bruder hat grausam und gesetzlos gehandelt, das ist wahr. Doch seit jener Tat herrscht immerhin Frieden.«
»Unter einem König, der nicht als König in Erscheinung tritt, sondern seinen Hausmeiern die
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