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Die Kolonie

Die Kolonie

Titel: Die Kolonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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Staubsauger die Kühlschlangen an der Rückseite ab.
    Auf dem Moosbett hat sich Cassandras Blut in ihren am tiefsten gelegenen Körperteilen gesammelt. Was man von ihr sehen kann, Brüste, Hände und Gesicht, ist kalkweiß. Ihre offenen Augen klebrig trocken von den Saugrüsseln der Insekten. Ihr blondes Haar. Ihr Haar wallt in gelben Wogen von ihrem Hinterkopf, aber stumpf wie abgeschnittenes Haar auf dem Fußboden eines Friseurladens.
    Ihre Zellen verdauen sich selbst, versuchen immer noch, irgendwie weiterzuarbeiten. Verzweifelt auf Nahrungssuche, fressen sich die Enzyme durch die Zellwände, und das gelbe Zeug in den Zellen beginnt auszulaufen. Cassandras blasse Haut liegt nur noch lose über dem Muskelfleisch. Ihre Hände, die Haut schrumplig und schlaff, sehen aus wie zu große Baumwollhandschuhe.
    Ihr Körper ist übersät mit unzähligen winzigen Beulen, die wie Narben von kleinen Schnittwunden aussehen, und jede dieser Beulen bewegt sich, weidet zwischen Haut und Fleisch. Jede einzelne dieser Beulen ist eine Fliegenlarve, die sich durch die dünne subkutane Fettschicht frisst. Ihre gesamte Körperoberfläche, ihre Arme und Beine, ein einziges Gewimmel.
    Im Kopfhörer des Hilfssheriffs wird das Summen der Fliegen vom Knabbern der Maden abgelöst, die ihre Tunnel durch die Hautschichten graben.
    Zu Hause, einen Schritt vom stummen Telefon entfernt, ordnet Mrs. Clark im erstickenden Staub des Dachbodens den Weihnachtsschmuck, sortiert Unbrauchbares aus und packt den Rest wieder ein. Und beschriftet jede Schachtel.
    Die Bakterien in Cassandras Lungen, die Bakterien in ihren Eingeweiden, in Mund und Nase, sie alle teilen und teilen und teilen sich, ohne von weißen Blutkörperchen aufgehalten zu werden. Sie fressen das subkutane Fett und das aus den zerstörten Zellwänden ausgelaufene gelbe Protein. Ihre Zahl explodiert, und sie blähen Cassandras bleichen Bauch, bis sich ihre Schultern nach hinten biegen. Ihre Beine spreizen sich. Cassandras Bauch, straff aufgedunsen, schwanger von Gasen, von einem Universum aus Bakterien, die ungehindert fressen und sich fortpflanzen können.
    Ihre Zunge schwillt an, stemmt ihr den Mund auf und ragt weit zwischen den dick wie Fahrradreifen angeschwollenen Lippen heraus. Die Bakterien fressen sich durch ihren Gaumen und gelangen ins Schädelinnere, wo das weiche, essbare Hirn auf sie wartet.
    Zu Hause trägt Mrs. Clark das Telefon von Zimmer zu Zimmer, sie reinigt die Wände und wischt die mit toten Fliegen gefüllten Lampenschalen aus.
    Noch ein Tag, und Cassandras Gehirn würde ihr rot und braun aus Nase und Ohren quellen. Die weiche Masse würde zerfließen und aus den jetzt leeren Augenhöhlen laufen.
    Das Mikrofon erfasst das Geräusch. Es klingt wie das gedämpfte Knallen von Popcorn in einer Mikrowelle. Wie das beharrliche leise Platzen der Seifenblasen in einem heißen Schaumbad. Wie das Prasseln des Regens auf einer Betonveranda. Wie Hagel auf einem Autodach. Das Geräusch stammt von den Maden, die jetzt so groß sind wie Reiskörner. Das Mikrofon erfasst ein Ratschen und Quietschen, das Geräusch, mit dem Haut zerreißt und aus Cassandras Eingeweiden das Gas entweicht.
    Fleischfressende Käfer treffen ein. Mäuse und Elstern. Im Wald singen die Vögel, jede Tonfolge hell wie bunte Lichter. Ein Specht horcht mit geneigtem Kopf an einem Baum, ob unter der Rinde Insekten sind. Dann beginnt er, ein Loch zu hacken.
    Die Haut sinkt ein, senkt sich über die Knochen, als Cassandras Eingeweide auslaufen. Im Boden versickern. Zurück bleibt nur noch dieser Schatten von Haut, dieses Knochengerüst in einer Pfütze aus dem Schleim, der einmal Cassandra war.
    Im Kopfhörer des Hilfssheriffs fraßen die Mäuse die Käfer. Schlangen rückten an und fraßen die fiependen Mäuse. Jeder darauf bedacht, der Letzte in der Nahrungskette zu sein.
    Zu Hause ordnete Mrs. Clark die Papiere im Zimmer ihrer Tochter, in ihren Schreibtischschubladen. Die Briefe auf rosa Briefpapier. Die alten Geburtstagskarten. Und auf einem linierten Blatt stand dort in Cassandras Handschrift mit Bleistift geschrieben:
    Klausur für Schriftsteller. Drei Monate aussteigen.
    Mrs. Clark spülte den noch lebenden Goldfisch ihrer Tochter die Toilette hinunter. Und zog dann ihren Wintermantel an.
    Am Abend sagte im Kopfhörer des Hilfssheriffs eine Frauenstimme: »Da hast du also gesteckt? In dieser Klausur für Schriftsteller? Da hat man dich so gequält?«
    Es war die Stimme von Mrs. Clark, und sie sagte: »Tut mir

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