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Die Kolonie

Die Kolonie

Titel: Die Kolonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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und die Leute nahmen sie mit Teleskopen aufs Korn und erwarteten, Monstren zu sehen.
    Wir hier waren das moderne Gegenstück zu der Gruppe in der Villa Diodati.
    Wir waren die moderne Version des Runden Tisches im Algonquin.
    Leute, die sich gegenseitig Geschichten erzählten.
    Leute auf der Suche nach der einen Idee, die bis in alle Zukunft nachwirken würde. Die sich in Büchern, Filmen, Theaterstücken, Liedern, Fernsehsendungen, T-Shirts und Geld widerspiegeln würde.
    Es waren dieselben Gesichter - nur dass wir damals dreimal so viele waren -, als wir uns zum ersten Mal in einem Cafe trafen. Wir: die Gesichter, die es bis in die Endausscheidung geschafft hatten. Schon damals trug Gräfin Weitblick ihren unverwechselbaren Turban. Der Herzog der Vandalen seinen blonden Pferdeschwanz. Missing Link seine lange Nase und das dunkle Dickicht seines Barts.
    Wie man heute über die Villa Diodati tratscht, wird man später einmal über dieses Cafe tratschen. Leute, die die Anzeige nie gesehen haben, werden schwören, dass sie dabei gewesen sind. Aber sie waren klug und haben sich nicht auf die Klausur hier eingelassen. Sonst wären sie jetzt entweder tot oder reich. Im Lauf der Zeit müsste dieses Cafe mit seinen Zeitungsständern und der Pinwand voller Visitenkarten von Leuten, die von Darmreinigung bis zu holistischer Haustierberatung ihre Dienste anbieten, groß wie ein Stadion geworden sein, um die Scharen zu fassen, die einmal behaupten werden, an jenem Abend dabei gewesen zu sein.
    Jener Abend wird zur Legende werden.
    Zu unserem Mythos.
    Die Hanfprediger und Dichter und Hausfrauen und wir, wir alle hielten Pappbecher mit Kaffee in den Händen und hörten uns an, was Mrs. Clark uns zu sagen hatte. Einige kicherten über ihre ungeheuren Brüste und Silikonlippen. Als jemand nach einer Telefonnummer fragte, unter der die Außenwelt uns in der Klausur erreichen könnte, sagte Mrs. Clark: Ja. Sie sagte: »Die Nummer ist 1-800-FUCK-OFF.«
    Jetzt gingen die Ersten weg.
    Sollte heißen: Nein. Kein Kontakt mit der Außenwelt. Kein Fernsehen, kein Radio, kein Telefon, kein Internet. Nur man selbst, und was man in seinem einen Koffer mitbringt.
    Jetzt gingen noch mehr Leute weg.
    Die gegangen waren, die Runde eins überstanden hatten. Die Klugen, die am Ende ihre eigene Geschichte erzählen können. Die Kamera hinter der Kamera hinter der Kamera, würde Mr. Whittier sagen. Die würden die endgültige Wahrheit erfahren aber nur über diesen Abend.
    Diese armen Idioten, für dumm verkauft. Wir alle hatten die Anzeige gesehen, nur verschieden interpretiert. Überall in der Stadt war sie aufgetaucht:
    KLAUSUR FÜR SCHRIFTSTELLER DREI MONATE AUSSTEIGEN
    Verschwinden Sie einfach. Lassen Sie alles hinter sich, was Sie davon abhält, Ihr Meisterwerk zu erschaffen. Ihren Beruf, Ihre Familie, Ihr Zuhause, all diese Verpflichtungen und Ablenkungen - werfen Sie das alles für drei Monate von sich ab. Leben Sie mit Gleichgesinnten in einer Umgebung, die Ihnen hilft, sich voll und ganz auf Ihr Werk zu konzentrieren. Teilnehmer erhalten Kost und Logis gratis. Ihr Einsatz ist eine kurze Zeitspanne Ihres Lebens, Ihre Gewinnchance ist eine neue Zukunft als professioneller Dichter, Romanschriftsteller oder Drehbuchautor. Wagen Sie den Einsatz, bevor es zu spät ist: Leben Sie das Leben, von dem Sie träumen. Strikt begrenzte Teilnehmerzahl.
    Die Anzeige war auf Karteikarten gedruckt. Auf Rezeptkarten. Mit einem gestrichelten Rahmen, wie ein Coupon, den man ausschneiden soll. Und unten stand eine Telefonnummer. Mrs. Clarks Nummer, an die Korkpinwand im Vorraum der Bibliothek geheftet. Neben den Toiletten hinten im Supermarkt. Im Waschsalon. Das Kärtchen mit dieser Anzeige war plötzlich überall. Und eine Woche später nirgendwo mehr. Dann war es wieder verschwunden.
    Wer die Nummer anrief, hörte vom Band Mrs. Clarks Stimme, die erklärte, in welchem Cafe, an welchem Tag, zu welcher Uhrzeit wir uns treffen würden.
    Hier im rotgelben künstlichen Kamingeflacker konnten wir uns bereits die Zukunft ausmalen: die Szene, wie wir irgendwem erzählten, dass wir uns auf dieses kleine Abenteuer eingelassen hätten und dann von einem Verrückten drei Monate lang in einem alten Theater gefangen gehalten worden waren. Schon fingen wir an, alles schlimmer zu machen. Zu übertreiben. Wir würden erzählen, dass es eiskalt war in diesem Haus. Dass es kein fließendes Wasser gab. Dass wir das Essen rationieren mussten.
    Nichts davon entsprach der Wahrheit,

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