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Die Kolonie

Die Kolonie

Titel: Die Kolonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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und es stinkt.
    Es ist nichts mehr zu essen da.
    Wir sagen zu Schwester Vigilante, sie soll leise sein. Die Leute draußen könnten sie hören und uns retten wollen.
    Ein Schloss klickt, die Tür der Garderobe schwingt auf, und Mrs. Clark tritt in ihrem Frotteebademantel auf den Gang. Mit roten, halb geschlossenen Augen schließt sie hinter sich die Tür.
    »Hören Sie«, sagt Schwester Vigilante, »Sie müssen ihre Geiseln besser behandeln.«
    Der Herzog der Vandalen stellt sich neben sie. Derselbe Herzog der Vandalen, der vorige Nacht im Keller war und mit einem Brotmesser sämtliche Stromleitungen der Heizung zersägt hatte.
    Mrs. Clark reibt sich mit einer Hand die Augen.
    Agent Plaudertasche sagt hinter seiner Kamera: »Wissen Sie, wie viel Uhr es ist?«
    Genossin Snarky sagt in das Diktiergerät von Graf Schandmaul: »Wissen Sie, dass wir kein warmes Wasser haben?«
    Genossin Snarky, die die Kupferrohre an der Kellerdecke bis zum Warmwasserboiler verfolgt und dort das Gas abgedreht hat. Sie sollte es wissen. Sie hat den Hebel des Gasventils abgebrochen und im Abflussloch des Betonfußbodens verschwinden lassen.
    »Wir treten in Streik«, sagt der hagere Sänkt Prolaps. »Wir denken gar nicht daran, hier ohne Heizung irgendeinen brillanten Frankenstein-Scheiß zu schreiben.«
    An diesem Morgen: Keine Heizung. Kein warmes Wasser. Nichts zu essen.
    »Hören Sie«, sagt Missing Link. Mit seinem Bart schrammt er beinahe Mrs. Clarks Stirn, so dicht steht er in dem schmalen Gang vor ihr. Er schiebt eine Hand unter den Kragen ihres Bademantels. Er drückt ihre Brust mit seiner platt, macht eine Faust, beugt den Ellbogen und hebt sie an der Hand voll Frottee vom Boden hoch.
    Mrs. Clark strampelt mit ihren Pantoffeln in der Luft herum, ihre Hände greifen nach der haarigen Faust, von der sie hochgehalten wird, ihre Augen treten hervor, treiben ihren Kopf nach hinten, bis ihr Haar die geschlossene Tür berührt. Bis ihr Kopf an die Tür schlägt.
    Missing Link schüttelt sie in seiner Faust und sagt: »Bestellen Sie Whittier, dass er uns was zu essen besorgen soll. Und dass er hier heizen soll. Oder aber, er soll uns gehen lassen auf der Stelle.«
    Uns - die unschuldigen Opfer dieses verschlafenen, bösartigen, durchgeknallten Entführers.
    Im blausamtenen Foyer steht nichts für uns zum Frühstück bereit.
    Tüten mit allem, was Spuren von Leber enthielt, wiesen zehn bis fünfzehn Löcher auf. Jeder hat da hineinstechen müssen.
    Aus allen Mylar-Tüten im Foyer ist die Luft raus. Der Stickstoff. Wir hatten alle dieselbe Idee.
    Auch nach dem Ausfall der Heizung, auch bei dieser Kälte ist das Essen verdorben.
    »Wir müssen ihn einpacken«, sagt Mrs. Clark. Ihn einpacken und die Leiche in den tiefsten Keller bringen, zu Lady Tramp..
    »Dieser Gestank«, sagt sie, »das ist nicht das Essen.«
    Wir fragen nicht nach den Einzelheiten, wie er gestorben ist.
    Gut, dass Mr. Whittier nicht auf der Bühne gestorben ist. Auf die Weise können wir uns das Schlimmste ausmalen: Wie er die Augen verdreht, wie sein Bauch im Lauf der Nacht immer dicker und dicker anschwillt, bis er seine Füße nicht mehr sehen kann. Bis irgendwelche Bindegewebe oder Muskeln reißen und er das warme Blut an seine Lungen branden fühlt. An seine Leber und an sein Herz. Als Nächstes dann der eisige Schock. Das graue Haar auf seiner Brust wird klitschig von kaltem Schweiß. Schweiß strömt ihm übers Gesicht. Seine Arme und Beine zittern vor Kälte. Die ersten Anzeichen von Koma.
    Niemand wird Mrs. Clark glauben, denn jetzt ist sie der neue Schurke. Unsere neue böse, tyrannische Superhexe.
    Nein, wir müssen diese Szene für die Bühne bearbeiten. Wir müssen ihn im Delirium brüllen lassen. Mr. Whittier hält sich kreidebleich die gespreizten Finger vors Gesicht und sagt, dass der Teufel hinter ihm her ist. Er schreit um Hilfe.
    Dann fallt er ins Koma. Und stirbt.
    Sankt Prolaps mit seinen komplizierten Wörtern - Peritoneum, Duodenum, Ösophagus. Er wird auch den Fachausdruck dafür wissen, was da schiefgelaufen ist.
    In unserer Version werden wir neben Whittiers Bett knien und für ihn beten. Wir armen unschuldigen Geschöpfe, eingesperrt und halb verhungert, und dennoch beten wir für die ewige Seele unseres Peinigers. Dann eine weiche Überblende und Schnitt zur Werbung. Das ist eine Szene aus einem Kassenschlager. Eine Szene, die garantiert für den Emmy nominiert wird.
    »Das ist das Erfreulichste an Toten«, sagt Baronin Frostbeule und übermalt

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