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Die Kolonie

Die Kolonie

Titel: Die Kolonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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lasziv über die Hüften, die Jeans; die Augen geschlossen, ist nur noch der schimmernde blaue Lidschatten zu sehen. Und die rot verschmierten Lippen.
    Genau zur rechten Zeit reicht Webber ihm die Hand, um ihm vom Tisch zu helfen. Flint nimmt sie, ladylike, bewegt aber weiter die Lippen. Man sieht seine bonbonrot lackierten Fingernägel. Und Webber flüstert ihm zu: »Ich hab noch fünf Dollar nachgeworfen.« Er hilft Flint vom Tisch hinunter, damit er sich dem Ersten in der Schlange stellen kann, und sagt: »Die werden heute Abend nur diesen einen Song zu hören bekommen.«
    Aus Webbers fünf Dollar machten sie an diesem Abend fast sechshundert. Nicht eine einzige Faust verließ die Kneipe ohne kräftige Spuren der Schminke in Flints Gesicht. Manche schlugen so lange zu, bis ihnen eine Hand lahm wurde, und stellten sich dann wieder hinten an, um mit der anderen weiterzumachen.
    Diese Titanic-Schnulze hat Flint beinahe umgebracht. Plus die Kerle mit protzigen Ringen an den Fingern.
    Danach sind wir nur noch unter der Bedingung angetreten: keine Ringe. Und wir haben darauf geachtet, dass die Leute keine Münzrollen oder Angelgewichte aus Blei in der Faust hatten, um mit ihren Schlägen größeren Schaden anzurichten.
    Die Frauen sind die Schlimmsten. Manche sind erst zufrieden, wenn einem die Zähne aus dem Mund fliegen.
    Frauen, je betrunkener sie sind, desto größeren Spaß haben sie daran, einen Mann in Frauenkleidern zu verprügeln. Weil es ein Mann ist. Besonders wenn er besser angezogen ist und besser aussieht als sie selbst. Gegen Ohrfeigen hatten wir nichts, aber Kratzen war nicht drin.
    Webber und Flint waren auf eine gewaltige Marktlücke gestoßen. Mit der Zeit verzichteten sie aufs Abendessen. Tranken nur noch kalorienarmes Bier. Und dauernd standen sie vorm Spiegel, begutachteten ihren Bauch, zogen die Schultern zurück und streckten den Hintern raus.
    In jeder neuen Stadt hätte man schwören können, dass sie schon wieder einen neuen Koffer hatten. Koffer voller schicker Klamotten, Abendkleider. Und Kleidersäcke, damit die Sachen nicht knittern. Und Taschen für Schuhe, Perückenschachteln. Und neue große Schminkkoffer.
    Das ging so weit, dass die Ausgaben für ihre Kostüme sie ins Minus brachten. Darauf angesprochen, erklärte Flint nur immer: »Ohne Einsatz kein Gewinn.«
    Dazu kamen dann noch die Kosten für die Musik. Nach langen Versuchsreihen fanden sie heraus, dass die Leute einen am liebsten verprügeln, wenn man ihnen eine der folgenden Platten vorspielt:

    Color Me Barbra
    Stoney End
    The Way We Were
    Thighs and Whispers
    Broken Blossoms
    Und Beaches. Beaches ganz besonders.

    Man könnte Mahatma Gandhi in ein Kloster sperren, ihm die Eier abschneiden und ihn mit Demerol vollpumpen, und er würde einem immer noch die Fresse polieren, wenn man ihm »Wind Beneath Your Wings« vorspielt. Wenigstens nach Webbers Erfahrung.
    Auf nichts von alldem hatte die militärische Ausbildung sie vorbereitet. Wenn man da entlassen wird, findet man keine Stellenangebote für Munitionsexperten, Visierspezialisten oder Spähtruppführer. Als sie entlassen wurden, fanden sie praktisch gar keinen Job. Nichts, das annähernd so viel einbrachte wie Flints jetzige Tätigkeit: Die Beine halb verborgen hinterm Seitenschlitz eines grünen Satinfummels, die Füße in Nylonstrümpfen und goldenen Riemchensandalen, pausierte er zwischen den Songs und Schlägen nur, um seine Wunden noch stärker zu überschminken; seine Zigarette rot von Lippenstift. Lippenstift und Blut.
    Jahrmärkte waren ein gutes Geschäft, dicht gefolgt von Motorradrennen. Auch Rodeos waren nicht schlecht. Und Bootsausstellungen. Und die Parkplätze der Großveranstaltungen der Waffensammler. Nein, sie mussten nie sehr lange suchen, um Massen von zahlungswilligen Kunden zu finden.
    Als Webber und Flint eines Abends, nachdem sie ihr Makeup mal wieder größtenteils auf dem Veranstaltungsgelände einer Waffenausstellung zurückgelassen haben, zum Motel zurückfahren, dreht Webber auf dem Beifahrersitz den Rückspiegel zu sich herum. Er wendet sein Gesicht hin und her, um es im Spiegel von allen Seiten zu betrachten, und sagt: »Ich glaub, ich halt das nicht mehr lange aus.«
    Webber sieht gut aus. Im Übrigen spielt es keine Rolle, wie er aussieht. Die Songs sind viel wichtiger. Perücke und Lippenstift.
    »Ich bin ja nie direkt hübsch gewesen«, sagt Webber, »aber ich hab doch immer darauf geachtet, wenigstens einigermaßen nett

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