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Die Kolonie

Die Kolonie

Titel: Die Kolonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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auszusehen.«
    Flint betrachtet seine abgebrochenen roten Fingernägel auf dem Steuerrad. Er knabbert mit seinen abgebrochenen Zähnen an einem eingerissenen Nagel. Er sagt: »Ich überlege, ob wir uns nicht einen Künstlernamen zulegen sollten.« Er sieht immer noch auf seine Fingernägel und sagt: »Was haltet ihr von Pfefferschinken?«
    Flints Freundin besuchte inzwischen die Flugschule.
    Auch gut. Es ging sowieso alles den Bach runter.
    Zum Beispiel, kurz bevor sie sich auf dem Parkplatz irgendeiner Veranstaltung von Mineralien- und Edelsteinsammlern zurechtmachen, sieht Webber Flint an und sagt: »Deine Titten sind zu dick...«
    Flint trägt ein langes Kleid, so eins mit Trägern, die im Nacken zusammengebunden werden, damit es vorne nicht runterfällt. Und, ja, seine Titten sind wirklich enorm, aber Flint sagt, das liegt an dem neuen Kleid.
    Und Webber sagt: »Von wegen. Deine Titten sind in den letzten vier Bundesstaaten ständig gewachsen.«
    »Du meckerst doch bloß herum«, sagt Flint, »weil sie dicker als deine sind.«
    Und aus einem lippenstiftroten Mundwinkel sagt Webber ganz ruhig: »Ehemaliger Unteroffizier Flint Stedman, du entwickelst dich in eine schlabberige, fette Kuh...«
    Und plötzlich fliegen Pailletten und Perückenhaare durch die Gegend. An diesem Abend beliefen sich ihre Einnahmen auf null Dollar. Niemand will einen verprügeln, der schon völlig zerkratzt und blutig ist. Die Augen blutunterlaufen, alles mit Mascara beschmiert.
    Die kleine Zankerei hätte ihnen beinahe ihre Mission versaut.
    Dieses Land kann keinen Krieg gewinnen, weil wir ständig uns selbst bekämpfen, und nicht den Feind. Wenn zum Beispiel der Kongress das Militär daran hindert, seinen Job zu tun. Auf die Weise kriegt man nie etwas geregelt. Webber und Flint sind keine schlechten Menschen, nur typisch für das, worüber wir uns zu erheben versuchen. Ihr Auftrag lautet, die Sache mit dem Terrorismus zu regeln. Und zwar ein für alle Mal. Und dafür braucht man Geld. Damit Flints Freundin die Schule besuchen kann. Damit sie einen Jet fliegen können. An die Drogen herankommen können, die sie brauchen, um den Piloten der Charterfirma auszuschalten. Für das alles braucht man eine Menge Geld.
    Ehrlich gesagt, Flints Titten nahmen allmählich beängstigende Ausmaße an.
    Und hier und jetzt fliegen sie, entspannt in weißen Ledersesseln, auf einundfünfzigtausend Fuß Höhe am Roten Meer entlang Richtung Süden, nach Dschidda, wo sie nach links abbiegen werden.
    Die anderen, die zur Zeit in der Luft sind, alle auf dem Weg zu den ihnen bestimmten Zielen: Man fragt sich, wie die an das Geld gekommen sind. Was für Schmerzen und Leiden sie zu erdulden hatten.
    Man sieht noch die Stellen, wo Webbers Ohren gepierct waren, und wie ausgeleiert die Ohrläppchen von den großen Ringen sind, die er immer getragen hat.
    Im Rückblick betrachtet, wurden die meisten Kriege der Geschichte um irgendwelche Religionen geführt.
    Das ist bloß der Angriff, der alle Kriege beenden soll. Oder jedenfalls die meisten.
    Als Flint seine Titten wieder unter Kontrolle hatte, reisten sie von College zu College. Überall hin, wo Leute Bier tranken und nichts zu tun hatten. Inzwischen hatte sich bei Flint eine Netzhaut gelöst, das heißt, er war auf einem Auge blind. Webber hatte sechzig Prozent Hörverlust von den ständigen Erschütterungen. In der Notaufnahme war die Rede von traumatischen Hirnverletzungen. Beide waren ein bisschen zittrig. Um einen Mascarastift ruhig zu halten, mussten sie beide Hände nehmen. Beide waren so steif, dass sie den Reißverschluss am Rücken ihrer Kleider nicht mehr selbst schließen konnten. Gingen nur noch schwankend auf ihren nicht sehr hohen Stöckelschuhen. Und trotzdem machten sie weiter.
    Wenn es so weit wäre, wenn die Jagdflieger der Vereinigten Arabischen Emirate sie in die Zange nähmen, würde Flints Sehvermögen vielleicht nicht mehr zum Fliegen reichen, aber er säße hier im Cockpit und würde ihnen schon zeigen, was er bei der Luftwaffe gelernt hatte.
    In der Kabine ihrer Gulfstream G550 hat Flint die Schuhe ausgezogen, und die Zehennägel an seinen nackten Füßen sind immer noch tittenrosa lackiert. Und man riecht noch eine Spur von Chanel No. 5 durch seinen Schweißgestank.
    Bei einem ihrer letzten Auftritte in Missoula, Montana, tritt ein Mädchen aus der Menge vor und beschimpft sie als widerliche Heuchler. Sie ermutigten die Leute zu Gewaltverbrechen gegen die von Gender-Konflikten geplagten

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