Die Kolonie
Hotelhalle roch es modrig. Die Teppiche und Vorhänge
waren grau vom jahrelangen Staub. Die wenigen Möbel, die noch
drin standen, waren mit schmutzigen Laken bedeckt.
»Was ist hier los?« fragte David. »Hier sieht es ja
aus wie in einem Hauptquartier.«
»Wir sind selbst zum ersten Mal hier«, sagte einer der
jungen Männer.
»Halt den Mund!« sagte der andere, der den Wagen
gefahren hatte. »Gib keine Antwort… und Sie« – er
tippte mit dem Daumen an Davids Brust – »stellen Sie keine
dummen Fragen!«
Sie gingen an einer Reihe von Aufzügen vorbei. Die meisten
Türen standen offen, und hinter ihnen gähnte ein leerer
Schacht. Sie gingen die Treppe hinauf, die beiden jungen Männer
voran, gefolgt von David und Bahjat. Das breite, mit Teppichen
ausgelegte Treppenhaus endete im zweiten Stock. Dann ging es
über eine Feuerleiter aus Metall, wo ihre Schritte in einem
Treppenschacht aus nacktem Zement widerhallten. Die sinkende Sonne
spendete gerade genügend Licht, um sich den Weg durch all den
Abfall und das Gerümpel zu bahnen, das sich auf den Treppen
angesammelt hatte. David sah Kakerlaken und ähnliches Getier und
fragte sich, welche Art Leben die Mauern dieses alten Hotels sonst
noch bargen.
Nach weiteren sechs Treppen bogen sie in einen Korridor ein. Auch
hier roch es nach Moder und Urin. Die jungen Männer blieben vor
zwei nebeneinanderliegenden Türen stehen und übergaben
Bahjat zwei Schlüssel.
»Unsere Leute sind in diesem Stockwerk, die Amerikaner haben
ihre Truppen in den unteren Stockwerken untergebracht. Wenn der da
Schwierigkeiten macht, brauchen Sie nur zu rufen.«
Bahjat erklärte ihnen, sie wüßte Bescheid, und die
beiden zogen ab.
»Da ist etwas Großes im Gange«, meinte David,
sobald sie die Feuertür hinter sich geschlossen hatten.
»Haben Sie gemerkt«, fragte Bahjat, »daß alle
Frauen und Männer unten in der Halle Schwarze sind?«
»Nicht alle«, versetzte David.
»Es waren ein paar lateinamerikanische Typen unter
ihnen«, meinte sie, »aber kein Weißer.«
David überlegte einen Augenblick lang. »Sie haben recht
– nicht ein einziger Weißer unter ihnen. Was meinen Sie,
was die vorhaben?«
»Was es auch sein mag«, sagte Bahjat, während sie
eine der Türen aufschloß, »es wird bald
geschehen.«
Die beiden Zimmer waren durch eine Tür verbunden. Sie sahen
sich im letzten blassen Licht der sinkenden Sonne an.
»Welches Zimmer würden Sie vorziehen?« fragte
Bahjat. »Das rote oder das blaue?«
Die zerlumpte Ausstattung der beiden Zimmer glich sich aufs Haar
bis auf die Farbe. In jedem Zimmer stand eine Kommode ohne Schubladen
und ein türloser Schrank. David schlug das Laken über dem
Bett im blauen Zimmer zurück, aber da war nichts weiter als eine
nackte Matratze.
Er ging ins rote Zimmer und erblickte einen gesprungenen Spiegel,
der über der Kommode hing. Im blauen Zimmer war an der gleichen
Stelle ein heller Fleck an der Wand, dort wo einst ein Spiegel
hing.
Er stand unter der Verbindungstür, während sich Bahjat
im roten Zimmer aufhielt.
»Ich nehme an«, sagte er, »Sie sollten das Zimmer
mit dem Spiegel haben.«
Sie lächelte. »Sie sind höflich wie
immer.«
»Und Sie sind nett wie immer.«
Sie ging ins Bad des roten Zimmers.
»Ach«, rief sie, »man hat uns sogar Seife und
Handtücher gebracht. Handtücher… und sogar Rasierzeug
für Sie.«
»Ich werde die Sachen in mein Zimmer mitnehmen.«
Sie näherte sich mit dem Rasierzeug in der Hand. »Aber
kein Make-up. Männer denken nie an sowas.«
»Sie verwenden ein Make-up?« sagte David verwundert.
Bahjat lächelte ihm zu. »Sie haben mich auch schon
ungeschminkt gesehen.«
»Sie sehen dann genauso hübsch aus wie
geschminkt.«
»Ihnen aber steht der Bart auch recht gut. Vielleicht sollten
sie ihn behalten.«
Er kratzte sich am Kinn. »Wir sind schrecklich höflich
zueinander, nicht wahr?«
»Ja.« Sie blickte fast scheu zu ihm auf. »Es war
das erste Mal, wo Sie mir sagten, daß Sie mich hübsch
finden.«
»Wirklich? In all der Zeit…«
»Ja«, sagte sie, »in all dieser Zeit.«
»Nun, Sie sind hübsch, Bahjat, sehr hübsch
sogar.«
»Danke.«
Er wußte nicht, was er sagen sollte. Dann hörte er sich
fragen: »Und was wird morgen?«
Bahjat zuckte kurz die Achseln. »Entweder wird uns Tiger hier
aufsuchen, oder wir werden uns dorthin begeben, wo er sich
aufhält.«
»Und was werden sie mit mir machen?«
»Ich weiß nicht. Das steht noch offen.«
»Was wollen Sie tun?«
Aber sie
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