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Die Kolonie

Die Kolonie

Titel: Die Kolonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Bova
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während er die Augen schloß
und ein Feuerwerk von Sternen erblickte.
    Sie schliefen. Als David erwachte, war es draußen finstere
Nacht. Er stieg vorsichtig aus dem Bett, wobei er fast über
seine Kleider stolperte, die auf dem Fußboden lagen. Er fand
das Badezimmer in der Dunkelheit und trat dann an das einzige Fenster
des Zimmers. Die Stadt lag da wie ausgestorben, still und regungslos.
Man konnte keine Straßenlampen erkennen, aber in der Ferne war
ein helles Glühen.
    Sobald die Nacht herabsinkt, ist alles still, stellte David
fest. Bei Nacht sind die Straßen menschenleer.
    Er trat wieder ans Bett, auf dem Bahjat lag. Die
Dämmerung. Ich werde in der Dämmerung aufbrechen.
    »Ist mein Sultan zu mir zurückgekehrt?«
flüsterte sie verschlafen.
    »Ich habe dich nie verlassen«, sagte David.
    »Aber du wirst es bald tun?«
    »Ja.«
    »Dann laß uns die wenigen Stunden nützen, die uns
noch bleiben.«
     
    Der Mond ging langsam auf und warf ein mildes, blasses Licht in
den alten modrigen Raum. Diesmal sprach Bahjat, sprach in die
mondhellen Schatten hinein und erzählte David über sich
selbst, über ihre Kindheit, über den Tod ihrer Mutter und
über die herbe, fast eifersüchtige Liebe ihres Vaters.
    »Er war wie ein Falke… wie ein Adler«, sagte sie,
während sie an Davids Seite lag, »stolz und ungestüm,
bereit, jeden in Stücke zu reißen, der mir zu nahe
kam.«
    »Und er hielt dich im Adlerhorst gefangen«, bemerkte
David.
    »Bis er mich nach Europa schickte«, erwiderte sie.
»Er glaubte, dort könnte nichts passieren, in Begleitung
einer Anstandsdame und seiner Agenten, die mich pausenlos
überwachten. Doch ich hielt sie alle zum Narren und wurde
Scheherazade.«
    »Hat er es nie erfahren?«
    »Er tat, als wüßte er’s nicht. Aber jetzt
weiß er’s.«
    »Und Hamud, dieser Tiger, mit dem du gesprochen hast –
bist du ihm in Europa begegnet?«
    Sie lachte weich. »Hamud war noch nie außerhalb von
Bagdad gewesen, als ich ihm zum erstenmal begegnete. Er meint, er sei
der furchtlose Anführer, doch es ist mein Geist, der ihn
leitete.«
    »Aber wie bist du zum Revolutionär geworden? Wie hat es
angefangen?«
    Er spürte, wie die leise Spannung in ihr wuchs. »Es war
ein Spiel, ein waghalsiges Spiel. In Europa gab es aufregende
Menschen… in Paris, in Florenz, in Mailand. Dann ging ich nach
Rom und verliebte mich in einen hübschen Italiener. Er war ein
Revolutionär, ein sehr weiser, gutaussehender, reiferer Mann. Er
mußte mindestens fünfunddreißig sein. Sein Vater war
Revolutionär gewesen, und sein Großvater Kommunist, der
seinerzeit gegen die Faschisten gekämpft hatte.«
    »So wurdest auch du zum Revolutionär.«
    »Aber nicht, weil er einer war«, meinte Bahjat.
»Ich ahme keinen nach, nur weil er ein Mann ist und ich nur eine
Frau. Mein Vater möchte zwar, daß ich es tue, aber ich
will nicht nur das Aushängeschild eines Mannes sein.«
    »Natürlich nicht.«
    »Giovanni öffnete mir die Augen – er zeigte mir,
wie verwöhnt ich war, und in welchem Elend die Armen ihr Leben
fristeten. Er hat mich sehend gemacht.«
    »Und so hast du dich ihm und seinen Ideen
verschrieben.«
    »Ja. Aber für mich war es immer noch ein Spiel, ein
herrliches Spiel. Ich war Scheherazade. Ich glaube fast, ich wollte, daß es mein Vater erfährt.«
    »Aber jetzt ist es freilich kein Spiel mehr.«
    »Nein, jetzt nicht mehr.« Und sie erzählte ihm von
Dennis und wie er von ihrem Vater ermordet wurde…
ihretwegen.
    »Und so möchte ich alles zerstören, was dies
betrifft«, sagte sie, und ihre Stimme klang kalt und hart wie
Stahl. »Restlos alles.«
    »Einschließlich dich selbst?«
    »Das macht nichts. Es ist mir gleichgültig.«
    »Doch mir macht es etwas aus«, erwiderte David. Dann kam
ihm ein Gedanke. »Gestern nacht… in New Orleans… da
hast du wohl an den Architekten gedacht, nicht wahr?«
    »Ja«, sagte sie kaum hörbar.
    »Liebst du ihn immer noch?«
    »Ja.«
    »Aber er ist tot«, sagte David. »Du kannst nicht
dein ganzes Leben in der Erinnerung an einen Toten verbringen. Du
gehörst zu den Lebenden. Du bist viel zu schön, zu
herrlich, um dein Leben wegzuwerfen.«
    Sie wandte sich ihm zu und legte ihre Hand sanft auf seine Wange.
»David, du bist ein Schatz. Du gehörst nicht hierher, in
diese blutige und dreckige Welt. Du solltest nach Eiland Eins
zurückkehren.«
    »Nicht ohne dich.«
    Sie schwieg eine ganze Weile.
    »Komm mit mir«, drängte er.
    »Du begreifst nichts.«
    »Liebst du vielleicht

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