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Die Kolonie

Die Kolonie

Titel: Die Kolonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Bova
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erreichten sie die Ebene, und David erblickte
den einsamen Lichtmast am Parkplatz. Er hielt direkt unter dem
Lichtmast an, da er nun wußte, daß sich Evelyn vor der
Dunkelheit fürchtete, löste den Ständer aus und half
ihr vom Rad.
    »Hier entlang«, sagte er und führte sie zu der
schweren Metalluke der Observationskapsel.
    In der Kapsel brannte natürlich kein Licht. Es wäre
sonst von der großen Plastikkuppel reflektiert worden und
hätte die Sicht verdorben.
    Sie traten durch die Luke, und als David sie schloß, war
auch die schwache Beleuchtung des Parkplatzes wie
ausgelöscht.
    Bereits zum zweitenmal an diesem Tag hörte David, wie Evelyn
nach Luft schnappte.
    Es war, als würde man in den Weltraum hinaustreten. Die
Plastikkuppel wölbte sich über den massiven zylindrischen
Mantel der Kolonie. Sie waren von der durchsichtigen Kunststoffhaut
des Observatoriums umgeben. In der plötzlichen einfallenden
Dunkelheit schien es, als würde sie nichts von den Sternen
trennen.
    Evelyn tastete um sich, und David hielt sie fest.
    »Ich glaubte, ich würde abstürzen.« Ihre
Stimme klang wie ein atemloses Flüstern in der Finsternis.
    »Hier oben ist die Schwerkraft sehr gering«, sagte er,
ohne sie loszulassen.
    »Gütiger Himmel! Das ist… blendend! Einfach
herrlich! Die Sterne… es müssen Millionen sein!«
    David hätte ihr die Zahl genau nennen können, wenn er
nur kurz seinen Kommunikator betätigt hätte, aber er
verhielt sich still. Er blickte hinaus ins Universum, auf die Sterne,
die wie Diamanten in der unendlichen Dunkelheit der Ewigkeit
glitzerten, und versuchte das alles mit ihren Augen zu sehen. Doch
irgendwie wollte es ihm nicht gelingen. Aber er spürte den
jagenden Puls an ihrem Handgelenk, und auch sein Herz begann
schneller zu schlagen.
    »Sie bewegen sich! Sie rotieren!«
    » Wir rotieren«, erklärte David sanft.
»Die ganze Kolonie dreht sich langsam, um im Inneren das
Gefühl der Schwerkraft zu erzeugen. Das sieht dann so aus, als
ob die Sterne rotierten.«
    »Es mutet so merkwürdig an…«
    Er lächelte ihr in der Dunkelheit zu. »In wenigen
Minuten wird der Mond aufgehen.«
    Der Mond ging langsam und majestätisch auf, fast ein
Vollmond, der die Kuppel in kaltes Licht tauchte. David konnte jetzt
Evelyns Gesicht deutlich sehen. Ein frohes Lächeln teilte ihre
Lippen. Sie war offensichtlich erregt.
    »Der Mond ist irgendwie anders«, bemerkte sie. »Er
hat zwar die gleiche Größe, aber er schaut irgendwie
anders aus.«
    David meinte: »Wir sind genauso weit vom Mond entfernt wie
die Erde. Darum hat er die gleiche Größe.«
    »Aber ich kann den Mann im Mond nicht sehen.«
    »Das kommt daher, weil unser Blickwinkel gegenüber der
Erde um sechzig Grad versetzt ist. Wir sehen Teile des Mondes, die
man von der Erde aus niemals erblicken kann. Dort – sehen Sie
das große Bullauge unten am Rand? Das ist das Mare
Orientale. Auf der rechten Seite, in der Nähe des
Äquators liegt der Krater Kepler, daneben der Kopernikus. Diese
beiden Krater kann man von der Erde aus sehen.«
    »Ich sehe Lichter!« sagte Evelyn.
    »Das sind die Minen am Ozean der Stürme… von dort
kommt das ganze Material für diese Kolonie.«
    »Wo ist Selene?«
    »Weit im Osten. Wir können es nicht sehen.
Außerdem liegt’s fast ganz unter der Oberfläche. Da
kann man wirklich so gut wie nichts sehen.«
    »Oh.« Das klang irgendwie enttäuscht.
    »Dr. Cobb hat sich Position L4 für die Kolonie
ausgesucht, so daß man das Mare Orientale sehen kann. Er
meint, es sei die schönste Formation auf dem Mond.«
    »Es ist… wirklich beeindruckend.«
    »Vor vielen Jahren, als die Menschen zum erstenmal über
Weltraumkolonien nachzudenken begannen, wurde stets angenommen,
daß die erste Kolonie im Punkt L5 auf der anderen Seite des
Mondes gebaut werden würde. Aber Dr. Cobb verstand es, das
Gremium zu überzeugen, daß L4 der richtige Standort sei
– aus rein ästhetischen Gründen.«
    Evelyn lächelte. »Und das Gremium – diese alten
Geldsäcke – hat diese ästhetischen Gründe
akzeptiert?«
    »Nein.« David lachte. »Aber Dr. Cobb sagte ihnen,
wenn sie die Kolonie in L5 bauen, müßten sie dauernd eine
Seite des Mondes anstarren, die nicht nur einen häßlichen
Anblick bietet, sondern auch dicht mit russischen Namen bestückt
ist, wie Ziolkowski und Mare Moscoviensis. Das Gremium ist
immer noch antikommunistisch genug eingestellt, um sich durch solch
alberne Argumente einwickeln zu lassen.«
    »Das kann ich mir vorstellen«,

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