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Die Kolonie

Die Kolonie

Titel: Die Kolonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Bova
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verschanzte man sich in seinem Zimmer
und schlief mit der Waffe in Reichweite.
    Lacey hatte die Aufgabe, den Einfaltspinsel zu beschatten.
    Der Stenz war ein Schwarzer und seine Aufmachung goldrichtig:
blutrote, glänzende Kunststoffjacke mit hochgekrempelten
Ärmeln, knallenge Hosen und schwere Stiefel, zum Stampfen eines
Rhythmus wie zum Laufen gleich gut geeignet. Doch das Kostüm war
eine Spur zu stilecht und sah aus, als hätte man den Mann in
eine Uniform gesteckt. Und die Kleider waren neu. Sie wollten nicht
recht in die Szene der First Avenue passen. Sie stachen ab wie ein
grelles Plakat.
    Freilich war auch der Umstand verräterisch, daß er nur
einige Blocks vom alten UN-Gebäude entfernt die Avenue
überquerte, ohne sich weiter zu entfernen. Vermutlich hatte er
die Absicht, sich dort aufzuhalten, wo ihn die anderen
Weißärsche mit ihren Kameras beobachten und mit ihren
Richtmikrofonen jedes Wort mithören konnten.
    Du A…, knurrte Lacey vor sich hin. Ich könnte
dich kriegen wie nichts.
    Der Pinsel war ein Polizist, aber kein gewöhnlicher. Die
nämlich kannten die Spielregeln und ließen den
Nachbarschaftsverband in Ruhe, so daß sie ungestört ihre
Runden drehen konnten. Doch dieser Stenz da war ein Polizist der
Weltregierung, und er wollte Leo persönlich treffen und mit ihm sprechen, in Christi Namen.
    Leo aber hatte gelacht und gemeint, nun gut, laß uns mit der
Niete reden. Wozu denn eigentlich? fragte sich Lacey.
    Aber wenn Leo befiehlt, dann hat man eben zu gehorchen, ganz egal,
wo man hingehört und wer mit wem ein Hühnchen zu rupfen
hatte. Leo pflegte selten etwas zu befehlen, doch wenn er es tat,
dann mußte man sausen.
    Lacey schlenderte die First Avenue entlang. Vom Fluß her
wehte ein Wind. Er trug den Geruch von verwesendem Abfall mit sich.
Die Ruine des alten UN-Gebäudes ragte wie ein dunkles,
zerbrochenes Mahnmal in den Nachthimmel im fahlen Licht des Mondes,
das durch die Wolken drang. Lacey erschauerte. Die Leute, die in
diesen alten Häusern wohnten, mußten gegen die Ratten
ankämpfen, die ihr Gebiet langsam aber sicher
überfluteten.
    Jojo und Fade liefen vor dem Stenz her und erkundeten das
Gelände, um festzustellen, ob der Typ allein war. Ich
möchte nicht, daß Leo unangenehm überrascht wird. Diese verdammte Weltregierung hat bereits mehr als einmal
versucht, ihn festzunageln. Aber Leo war stets viel zu
verschlagen, um auf sie reinzufallen.
    Das kleine Radio, das in seinem linken Ohr steckte, krachte, und
Lacey hörte, wie ihm Fade zuraunte: »Hier ist alles in
Ordnung.«
    Lacey grunzte, dann sprach er in das kleine Mikrofon, das er
zwischen den Zähnen trug: »Jojo? Was gibt’s?«
    »Der scheißt sich vielleicht was ab. Weiter
nichts.«
    »Okay. Bleib in Deckung.« Lacey nahm das Mikrofon aus
dem Mund und steckte es hinters rechte Ohr, dann trat er aus dem
Torbogen, in dem er sich verborgen hatte, trat auf die Straße
und ging über den bläulich erhellten Bürgersteig auf
den Fremden zu.
    Der Typ schlenderte dahin, ohne irgendein Geräusch hinter
seinem Rücken zu vernehmen. Du Scheißkerl, ich
könnte dich auspusten, ohne daß du je dahinterkommst, was
passiert ist.
    Statt dessen lief er pflichtbewußt hinter dem Typ her und
sagte laut: »Komm schon!«
    Der Bursche machte einen Satz und wirbelte herum. Er hielt eine
Pistole in der Hand.
    Lacey machte ein saures Gesicht. »Willst du nun Leo treffen
oder ausgepustet werden?« Jojo und Fade hatten ihn
natürlich im Auge.
    »Kommst du von Leo?« Die Waffe zitterte nicht in seiner
Hand, und die Stimme des Typs klang fest. Nettes
Schießeisen. Lacey merkte es sich für die Zukunft.
    Anstatt einer Antwort meinte Lacey: »Los, Mann. Hier
entlang!« Und er wies mit dem Daumen in Richtung der finsteren
44. Straße.
    Der Mann ließ die Pistole in einem Futteral unter seiner
Achsel verschwinden. »Okay«, sagte er. »Du gehst
voran.«
    Lacey stiefelte los, wobei er scharf darüber nachdachte, wie
er sich diese Pistole aneignen könnte, bevor es Tag wurde.
    Leo hatte das Treffen in jenem Apartmenthaus angesetzt, das dem
Ortsverband gehörte. Das Haus war fast eine Ruine und die
meisten Fenster waren kaputt, doch im obersten Geschoß sah es
noch einigermaßen manierlich aus. Sogar Strom war
vorhanden.
    Leo war groß, größer als irgendeiner, dachte Lacey. Und indem er in sich hineingrinste, setzte er
hinzu: So groß wie zwei.
    Leo saß in einem riesigen, zerlumpten alten Sessel, seine
gewaltigen Formen quollen über den Sessel hinaus

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