Die Kolonie
des Scheichs versteifte sich. »Das wird nicht
möglich sein. Sie verreist, um ihre Ausbildung fortzusetzen. Sie
fährt nach Eiland Eins.«
Es war zwei Tage später, als Denny dahinterkam, daß ihm
der Scheich nicht die Wahrheit gesagt hatte.
Die einzigen Menschen, die er in seinem luxuriösen Zimmer zu
Gesicht bekam, waren die Dienerin und der Arzt. Da war ein
gewaltiger, wandgroßer Bildschirm, so daß er weltweit die
Fernsehsendungen empfangen und sogar direkt mit seinem Chef in
Messina und mit seinem Vormann jenseits des Flusses auf der Baustelle
sprechen konnte. Der Boß war ärgerlich, weil der
Terminplan möglicherweise durcheinandergeriet, der Vormann aber
schien schuldbewußt und versprach, hinter den Arbeitern her zu
sein, so wie es Denny selbst tun würde.
Die Wunde in seiner Seite heilte schnell, aber man wollte ihn, wie
es schien, immer noch nicht aus dem Zimmer lassen. Am zweiten Tag
schon konnte Denny aufstehen und im Zimmer herumwandern, obwohl er
sich etwas merkwürdig vorkam, seitdem er die Hand zum erstenmal
auf die Türklinke gelegt hatte.
Als er die Tür öffnete, erblickte er einen
stämmigen jungen Mann mit pockennarbigem Gesicht, der
draußen in der Halle saß. Im Mundwinkel baumelte eine
Zigarette, in seinem Schoß lag irgendeine Pornozeitschrift, und
an seiner Hüfte hing eine mächtige schwarze Pistole.
Der Wächter starrte Denny einen Moment lang an, dann wies er
mit dem Zeigefinger auf ihn. Die Geste war
unmißverständlich: Geh da wieder rein, wo du
hingehörst!
»Also bin ich hier Gast, ob es mir nun paßt oder
nicht«, murmelte Denny auf Englisch. Aber er schloß die
Tür und blieb in seinem Zimmer. Er fühlte sich nicht
kräftig genug, um mit der Wache zu streiten.
Denny verbrachte die kühleren Morgenstunden auf der Terrasse
vor seinem Fenster, saß zwischen den hohen Säulen, die das
Dach stützten, und beobachtete den Dunst, der vom Fluß und
aus den dunkelgrünen Niederungen außerhalb der
Stadtgrenzen emporstieg.
Da sah er sie, unten im Hof des fünfstöckigen
Gebäudes, am Morgen des dritten Tages. Ein sportliches
Elektrokrad kam durchs Tor gefahren und bremste scharf. Die junge
Frau stieg aus dem Sattel und nahm den Sturzhelm ab. Das lange
schwarze Haar fiel auf ihre Schultern. Sie warf den Kopf zurück
und blickte nach oben, und Denny konnte ihr Gesicht sehen. Sie
war’s.
Ihr Vater eilte im selben Moment aus dem Haus und sagte etwas in
leisem, schnellem Französisch. So konnte die Dienerschaft
nicht mitkriegen, daß er mit ihr schimpfte. Freilich konnte
Denny aus fünf Stockwerken Entfernung kein Wort verstehen, aber
er wußte trotzdem, worum es ging: Papa schimpft mit seiner
Tochter, weil sie unbekümmert in der Stadt herumkurvt – und
die ganze Nacht nicht nach Hause gekommen war.
Sie lachte und zuckte die Achseln auf echt französische Art
und tätschelte ihm die Wange. Er aber stand ziemlich hilflos da,
während sie im Haus verschwand.
Später dann, als das Dienstmädchen Denny das Mittagessen
brachte, fragte er es: »Sprichst du englisch?«
Er hatte bereits früher versucht, mit ihm zu sprechen, doch
es hatte ihn immer nur groß angeschaut und etwas auf arabisch
gemurmelt, was wohl so etwas wie ›Nix verstehen‹
bedeutete.
Es schüttelte den Kopf.
»Schon gut, mein Kind«, sagte Denny freundlich. »In
diesem Fall müssen wir lediglich ein paar moderne elektronische
Wunder tun, um das Problem zu lösen.«
Er tippte auf seinem Kommunikator ein paar Zahlen und stellte den
Anschluß zu dem großen Bildschirm her, der in die
gegenüberliegende Wand eingelassen war.
Auf dem Bildschirm erschien in hellen gelben Buchstaben die
Aufschrift INTERNATIONALER ÜBERSETZUNGSDIENST, und eine
weibliche Stimme sagte »I-Ü-D. Können wir Ihnen
helfen?«
Denny wußte, daß es eine Computerstimme war, und er
befahl: »Englisch-Arabisch und umgekehrt, bitte.
Konversationsstil. Bagdader Dialekt, wenn möglich.«
»Natürlich, Sir.« Der Computer hatte Dennys
Rechnungscode bereits registriert. Er war Teil der Information, die
er in den Kommunikator eingeben mußte, um den Anruf zu
tätigen.
»Wie heißt du?« fragte Denny und schaute das
Mädchen an.
Auf dem Bildschirm erschien die Frage in fließender
arabischer Schrift, wobei eine Männerstimme – die sich kaum
von Dennys Stimme unterschied – dieselbe Frage in der gleichen
Sprache stellte.
Das Mädchen starrte auf den Bildschirm und schaute dann Denny
an.
»Keine Angst«, lächelte ihm Denny zu. »Ich
möchte
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