Die Kommissarin und der Tote im Fjord
Stunden.«
Gunnarstranda nickte freundlich. »Schönes Wochenende.«
Er hatte den Verdacht, dass diese Zusammenarbeit nicht die intensivste werden würde. Aber das machte ihm nicht viel aus. Er kannte Rise nicht wirklich. Außerdem arbeitete er gern allein.
Sein Wagen stand auf einem der Polizeiparkplätze im Åkebergveien. Die Luft war feucht. Es gibt Schnee, dachte er und setzte sich ans Steuer. Der Motor war kalt, und er fuhr die wenigen Meter bis zum Tøyenbekken fröstelnd, Mütze und Handschuhe behielt er an. Er überlegte, ob er ins Parkhaus fahren sollte, ließ es dann aber sein. Stattdessen parkte er auf der Statoil-Tankstelle. Er überquerte die Straße und ging mit schnellen Schritten zum Taxihalteplatz vor dem Busterminal. Auf der Höhe der wartenden Taxen ging er hinein. Im Busterminal wanderte er gegen den Strom der Passagiere, die auf die Abfahrtshalle zuhasteten.
Er verließ die große Halle, ließ sich vom Laufband zur Galleriet hinauftragen und ging dann auf den Ausgang zu, der zum Hotel und zur Fußgängerbrücke zum Bahnhof führte.
Draußen schlug ihm der Eiswind entgegen. Die ersten Schneeflocken tanzten durch die Luft. Nein, er beneidete niemanden, der bei diesem Wetter draußen sitzen und betteln musste. Er kam am Café Fiasko vorbei. Ein paar frierende Raucher saßen zusammengekrümmt mit Wolldecken über den Schultern unter den Heizlampen und sogen Nikotin in ihre Lungen. Er entdeckte die Gestalt sofort, die wie ein Buddha auf der Fußgängerbrücke saß. Ein Strom von Menschen eilte in beide Richtungen an ihm vorbei.
Stig Eriksen saß auf einem flachgedrückten Pappkarton. Die Hände hatte er in den Jackentaschen versteckt. Sein langes Haar wurde von einer Strickmütze bedeckt. Vor ihm lag ein Blatt Papier, das von einem Plastikbecher mit ein paar Münzen darin am Wegfliegen gehindert wurde. Auf den Zettel hatte er geschrieben, dass er fror und eine warme Mahlzeit brauchte. Unter der Brücke rollten auf vier Spuren Autos hin und her.
Gunnarstranda blieb stehen. »Stig?«
Langsam hob der Bettler den Kopf. Seine Gesichtshaut war grau und die Augen trübe.
»Ich möchte mit Ihnen sprechen. Ich untersuche die Umstände des Todes von Nina, Nina Stenshagen.«
»Piss off«, sagte Stig, »du stehst mir inner Sonne und ich verlier Kunden.«
Gunnarstranda grinste. Er zog einen Zweihundert-Kronen- Schein aus der Tasche und legte ihn in den Plastikbecher.
Stig schielte auf den Schein und schnappte ihn sich blitzschnell.
»Ich heiße Gunnarstranda, und ich will bloß mit Ihnen reden, sonst nichts. Wir wissen, dass Nina mit der T-Bahn nach Tøyen gefahren ist, ungefähr um halb sieben gestern Morgen. Als die Bahn weiterfuhr, ist sie auf die Schienen gesprungen und in den Tunnel gelaufen. Mich würde interessieren, woher sie kam und was sie in dem Tunnel wollte. Hat sie sowas schon öfter getan?«
Gunnarstranda bemerkte, dass der Pullover, den Stig unter seiner Jacke trug, eine Kapuze hatte. Der Mann, der eine halbe Minute nach Nina auf die Schienen gesprungen war, hatte eine Kapuze getragen. Es hätte also Stig gewesen sein können. Aber Stig sagte nichts.
»Wo waren Sie gestern Morgen?«, fragte Gunnarstranda.
Stig lächelte. Es war ein zahnloses Lächeln.
Er machte eine Bewegung hinter dem Rücken. Kurz darauf hielt er zwei Krücken in den Händen und zog sich daran hoch.
Es war eine beeindruckende Bewegung. Stig Eriksen hatte nämlich nur ein Bein. Das linke Bein war amputiert, das Hosenbein unter dem Knie verknotet. Jetzt stand er auf die Krücken gestützt und betrachtete Gunnarstranda, der feststellen musste, dass dieser Mann nicht der Täter sein konnte.
Stig beugte sich hinunter und griff nach seiner Sitzunterlage und nach dem Zettel, rollte ihn zusammen und steckte ihn in die Hosentasche. »Du willst gar nicht wissen, wo ich rumhänge«, sagte Stig. »Aber ich hab Nina lange nicht gesehen. Wir waren mal zusammen, aber das ist schon viele Jahre her.«
Unter ihnen stoppte der Verkehr ein paar Sekunden, als eine blaue Straßenbahn langsam Richtung Osten glitt.
»Und du willst wissen, was Nina in der T-Bahn gemacht hat?«, sagte Stig mit rostiger Stimme. »Weißt du, was ich mich frage? Ich frage mich, wieso Nina so verdammt populär geworden ist, jetzt wo sie tot ist.« Damit kehrte er Gunnarstranda den Rücken zu und hinkte davon.
»Stig«, rief Gunnarstranda ihm nach.
Stig hielt inne, stützte sich auf die Krücken und schielte herüber.
»Ich glaube, Nina wurde
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