Die Kommissarin und der Tote im Fjord
sprachlos. Stand auf, ging ein paar Schritte, ging wieder zurück und setzte sich wieder. Spielte an der Tastatur herum.Warum hatte Steffen den Namen der Firma nicht genannt? Er war schließlich ein investigativer, kritischer Journalist!
Sie googelte die Organisation Polisario und überflog Artikel und Lexikoneinträge. Die Organisation wurde gegründet, als die Kolonialmacht Spanien sich 1973 aus Westsahara zurückzog. In den Siebzigerjahren hatte es dort auch Kämpfe gegeben. Die Besatzungsmacht Marokko übernahm die Macht in den Städten, während die Widerstandsbewegung die Kontrolle über die Wüstengebiete behielt und das marokkanische Militär von Basen in Algerien aus angriff. Seitdem hatte Marokko – um die Aufrührer zu kontrollieren – eine lange Mauer gebaut, die das Land der Länge nach teilte.
Die meisten Internetseiten erzählten dieselbe Geschichte: Marokko und marokkanische Einwanderer plünderten Westsaharas natürliche Rohstoffvorkommen, während die lokale Bevölkerung gezwungen war, in kargen Gebieten in Armut zu leben.
Lena ging auf die Seite des CIA und suchte nach Vereinigungen, die als terroristisch eingestuft wurden. Den Namen Polisario fand sie dort nicht und musste schließlich schlussfolgern, dass die Organisation vom CIA offensichtlich nicht als terroristisch eingestuft wurde.
Sie wiederholte die Suche im Netz in verschiedenen Varianten. Verband den Namen Polisario mit Terror, fand aber keine relevanten Einträge.
Warum schrieb Steffen Gjerstad, diese Organisation würde in manchen Kreisen als terroristische Vereinigung betrachtet?
Wenn Gunnarstranda Recht hat, dachte sie, und irgendwer ein Interesse daran hat, diese Fotos zu veröffentlichen – hieß das, dass Steffen sich benutzen ließ?
Lena bezweifelte das. Die Fotos waren von öffentlichem Interesse. Der Journalist, der den Artikel geschrieben hatte,wusste, dass die Parlamentsabgeordnete der Polizei in Bezug auf ihre eigene Beteiligung an dem Treffen Lügen aufgetischt hatte. Das hatte Lena ihm selbst erzählt.
Aber dann lautete die Frage: Hatte Steffen sie benutzt?
Sie war erschüttert. Bedauerte das Telefonat. Wenn sie und Steffen sich gegenüber gesessen hätten, dann hätte sie ihn damit konfrontiert.
Lena begann, die Internetzeitungen durchzusehen. Die meisten hatten Adelers Tod zu einem großen Thema gemacht. Aber diese Artikel plapperten nur nach, referierten zum großen Teil Steffens Story und machten sie zu ihrer eigenen, indem sie ein paar Kommentare eines Parlamentsabgeordneten von der Opposition hinzufügten. Einige Zeitungen hatten versucht, Kommentare von Polisario zu bekommen – allerdings ohne Erfolg.
Lena klappte den Laptop zu und stand auf. Sie sah auf die Uhr. Heute würde sie die Untersuchungsergebnisse bekommen. Was würde wohl schlimmer sein? Mit den Ärzten zu sprechen oder jetzt zu Rindal zu gehen? Sie wischte den Gedanken beiseite. So solltest du nicht denken, sagte sie sich. Das hier war nur eine Variante des Birkebeiner-Rennens. Es ist ein langer Lauf mit vielen Steigungen. Aber du musst ins Ziel. Sie trat auf den Korridor und klopfte an Rindals Tür.
5
Sie öffnete die Tür und trat ein.
Rindal saß hinter dem Schreibtisch und sah mit düsterem Blick auf. »In der Zeitung ist ein Foto von dir«, sagte er säuerlich.
Lena schloss die Tür und räusperte sich. »Die Fotos aus demRestaurant stammen offenbar von einem geheimen Verbindungsmann – einem Informanten.«
Rindal schwieg weiterhin düster.
Lena räusperte sich erneut und fuhr fort: »Da der Verbindungsmann sich vor dem Restaurant befand und die Fotos vor dem Essen gemacht hat, weiß er möglicherweise auch, was nach dem Essen passierte. Es könnte einen Versuch wert sein, ihn ausfindig zu machen.«
Rindal betrachtete sie jetzt kühl. »Und woher weißt du das?«
Sie nickte zu der Zeitung, die vor ihm lag. »Ich kenne den Journalisten ein bisschen.«
Rindal hob den Kopf wie ein Hund, der Blut wittert. »Ein bisschen? Du kennst den Journalisten – ein bisschen?«
»Ja, ein bisschen.« Lena beließ es dabei.
»Wie gut kennst du den Mann?«
Lena zögerte mit der Antwort.
»Ein alter Freund aus der Kindheit?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Ein Liebhaber?«
Sie fiel ihm ins Wort. »Wir brauchen das hier nicht weiter zu vertiefen. Ich habe gesagt, dass ich den Journalisten kenne. Lass uns zur Sache kommen.«
Rindal betrachtete Lena mit einem süffisanten Lächeln, als würde er ihre Gedanken lesen.
Sie senkte den
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