Die Kommissarin und der Tote im Fjord
wild war und ein Kind von einem Afrikaner hat? Was hätte sie denn riskiert, wenn sie es erzählt hätte? Es ist viel schlimmer, die Polizei anzulügen, als zuzugeben, dass man ein uneheliches Kind hat!«
Rindal sagte nichts. Er starrte nur vor sich hin.
»Warum war es so unheimlich wichtig für Shamoun, Adeler zu treffen?«
»Das hast du doch gehört. Er wollte Einfluss nehmen. Es war Adelers Job, Leuten wie Shamoun zuzuhören. Ist mir übrigens völlig egal, warum die Frau gelogen hat«, sagte Rindal. »Und das gilt auch für dich. Dieses Treffen wurde von unserem obersten Chef arrangiert. Dass Irgens Vestgård eingeladen und sich dazu herabgelassen hat, dir und mir die Tür zu öffnen, bedeutet, dass Vestgård nicht mehr lügt. Da kannst du Gift drauf nehmen.«
Lena sah aus dem Fenster. Es war dunkel geworden.
Dieses Mal sprach Rindal in die Stille. »Stian Rømer – wer ist das?«
»Sein Name ist aufgetaucht.«
Rindal fuhr an den Straßenrand und hielt an. Er wandte sich Lena zu und sah sie an. »Falsche Antwort, Lena. Der Name ist nicht aufgetaucht. Du hast ihn ausgegraben. Hältst du mich für völlig bescheuert? Lena, jetzt hör mir mal zu: Aud Helen Vestgård ist über diesen Asim Shamoun irgendwie mit Polisario verwickelt, den sie nicht loswird, weil der Typ der Vater ihrer Tochter ist. Weiter: Was die Polizei mit Stian Rømer zu schaffen hat, unterliegt dem Geheimdienst. Unser Job ist es, einen Mörder zu finden. Das werden wir tun. Du und ich und Gunnarstranda schaffen das – weil es unser Job ist. Und dieser Job hat nichts mit dem Geheimdienst zu tun, klar? Hast du das endlich kapiert?«
»Als Ingrid Kobro dich zu Stian Rømer gebrieft hat, hat sie dir da erzählt, dass dieser Typ mit einer Pistole in der Hand hinter mir her gelaufen ist?«
»Natürlich. Aber er wird nicht mehr hinter dir her laufen.«
»Nina Stenshagen und Stig Eriksen wurden ermordet«, sagte Lena. »Seit wir Adeler aus dem Wasser gefischt haben, bin ichkeiner Pistole so nah gewesen wie zu dem Zeitpunkt, als Rømer mich verfolgt hat.«
Rindal holte tief Luft, bevor er mit leiser Stimme fortfuhr: »Dieser Job ist wie ein Stierkampf. Corrida, Lena. Es ist ein Kampf. Aber um den Kampf zu gewinnen, musst du zur Seite tanzen, Haken schlagen und spüren, wann der richtige Augenblick ist. Nach vorn zu stürmen und alles kurz und klein zu schlagen, was dir in den Weg kommt, ist eine Taktik, die du dem Stier überlassen musst. Lass den Stier zustoßen, lass den Stier heranstürmen. Und du tanzt mit dem Schwert zur Seite und wartest auf den richtigen Moment, denn du willst gewinnen. Dieses Gleichnis habe ich übrigens von Gunnarstranda«, sagte Rindal grinsend. »Sogar alte Brunnen können Wasser speichern oder wie das heißt. Egal. Wir werden diesen Fall lösen. Wir werden gewinnen. Wir schlagen Haken, Lena. Deshalb überlassen wir Stian Rømer dem Geheimdienst – jedenfalls solange er außer Landes ist. Wir beide vertrauen Ingrid Kobro, vorläufig. Alles andere ist eines Matadors nicht würdig.«
Rindal reichte ihr die Zeugenaussage, die er von Vestgård bekommen hatte.
»Was soll ich damit?«, fragte Lena.
»Diese Aussage ist ein Beweis. Archiviere sie, du bist die Ermittlungsleiterin.«
Lena nahm die beiden Seiten entgegen.
»Und was ist mit dem Team? Müssten sie nicht darüber informiert werden?«
»Gunnarstranda, Rise und Yttergjerde«, sagte Rindal und blinkte. »Ich werde jeden von ihnen persönlich anrufen.«
11
Als sie wieder im Präsidium war, archivierte Lena als Erstes Vestgårds Aussage und versah sie mit einem Stempel: Jetzt war es offiziell. Mit großen blauen Buchstaben stand auf jeder Seite V-E-R-T-R-A-U-L-I-C-H.
Dann sah sie auf die Uhr. Sie musste noch einige Stunden totschlagen. Also fuhr sie nach Torshov.
Es war das zweite Mal, dass Lena Adelers Briefkasten aufschloss. Rechnungen, Reklame und ein Päckchen von amazon.com, das offensichtlich eine DVD enthielt. Keine persönliche Post. Nicht einmal eine Weihnachtskarte.
Das Siegel, mit dem sie die Wohnungstür versehen hatte, war unberührt.
Sie brach es auf und öffnete die Tür.
Im Flur schaltete sie das Licht ein, schloss die Tür hinter sich und sah in die Wohnung hinein. Es war so still wie in einem Mausoleum.
Jetzt ging Lena systematisch zu Werke, öffnete Schubläden und untersuchte den Inhalt, Gegenstand für Gegenstand. Sie riss die Kleider aus den Schränken und durchforstete Hosentaschen und Jackentaschen, nahm alle Sportschuhe heraus
Weitere Kostenlose Bücher