Die Kommissarin und der Tote im Fjord
sauberen Schnee. Die Kälte fraß sich schnell durch die Kleidung. Zitternd setzte sie sich ans Steuer, drehte die Heizung voll auf und fuhr los.
War es ein Fehler gewesen, nachzugeben und Steffen zu treffen, um sich auszusprechen ? Sie wusste es nicht. Wusste nur, dass sie ihm, wenn ihre Beziehung überhaupt eine Basis haben sollte, klar und deutlich sagen musste, dass sie Krebs hatte. Was würde dann passieren? Würde er Angst bekommen? Würde er sich zurückziehen? Würde er denken: Ich habe keine Lust, mich auf eine kranke Frau einzulassen!
Auch gut. Dann war es klar. Dann gab es nichts mehr zu reden. Ihre Wege würden sich trennen. Es war nett gewesen, solange es gedauert hatte. So long. Leb wohl.
Oder würde er ganz anders reagieren?
Was wäre, wenn er völlig anders reagierte? Wäre das schön oder nicht? Was wünschte sie sich denn – eigentlich?
Falsch, dachte sie sofort. Du darfst nichts erwarten. Du hast kein Recht, bestimmte Reaktionen zu erwarten. Er lebt sein Leben und muss ganz frei reagieren dürfen. Du und er …
Sie bremste vor einer roten Ampel und drehte die Heizung herunter, öffnete den Reißverschluss ihrer Jacke.
In was hab ich mich da bloß verwickelt mit diesem Mann, dachte sie.
Sie hatten sich … wie oft getroffen? Zuerst ein schöner Abend. Und dann wird sie am nächsten Morgen in der Zeitung falsch zitiert. Als sie stopp sagt, bittet er ohne Umschweife um Entschuldigung und meint, sie müssten sich aussprechen, Privatleben und Arbeit auseinandersortieren.
Da hatte er immerhin Recht. Sie hatten jeder ihre Arbeitsbereiche, die durch Sveinung Adeler miteinander verwoben worden waren.
Als der Wagen hinter ihr hupte, zuckte sie zusammen. Die Ampel war auf Grün gesprungen. Ihr Auto machte einen Satz, als sie die Kupplung losließ und weiterfuhr.
Schließlich war er es gewesen, der um ein Treffen gebeten hatte, um sich auszusprechen, aufzuräumen in der Grauzonezwischen Beziehung und Arbeit. Genau darüber mussten sie sprechen. Die Kreise definieren, in denen sie sich bewegten. Bis dahin geht die Arbeit, das sind die Gemeinsamkeiten …
Also, dachte sie etwas missmutig, war der Zeitpunkt doch noch nicht gekommen, um Steffen von dem Tumor zu erzählen.
Aber – wenn sie es schon tun musste, dann wann?
Wenn, wenn, wenn!
Gib es zu! Du hast am Telefon mit ihm Schluss gemacht, und jetzt bist du wieder auf dem Weg in seine Arme, schalt sie sich im Stillen. Wir kennen uns jetzt … wie lange? In dieser Zeit ist mein ganzes Leben auf den Kopf gestellt worden, aber habe ich das Recht, ihn da mit reinzuziehen?, fragte sie sich.
Wäre es richtig, die Krankheit in das bevorstehende Gespräch mit einzubringen? Sozusagen um Rücksichtnahme zu bitten? Nach dem Motto: Hör mal zu, ich bin krank, vielleicht sterbe ich in einem oder zwei Jahren, was sagst du dazu? Bleibst du bei mir oder verpisst du dich?
Sie dachte an die Formulierung der Krankenschwester: Krankheiten kommen nie zum richtigen Zeitpunkt.
Sie fand eine Parklücke auf der gegenüberliegenden Seite des Hegdehaugsveien und parkte gedankenverloren ein, blieb dann aber noch ein paar Minuten nachdenklich im Wagen sitzen.
Sie hatten sich noch nie in Steffens Wohnung getroffen. Sie hatte noch nie gesehen, wie er sich eingerichtet hatte, ganz privat.
Als sie an der Tür klingelte, wurde sie sofort geöffnet. Sie trat ein, fühlte sich leicht befangen. Ein paar stille Sekunden lang sahen sie sich nur an. Er ist auch befangen, dachte sie.
An der Wand im Flur hing ein Filmplakat aus den Fünfzigern. Cary Grant und Ingrid Bergman. Der Titel: Notorious .Das Plakat war gerahmt, hatte aber Risse und Kratzer vom Falten. Es sah tatsächlich echt aus.
»Ist das ein Original?«, fragte sie, hängte ihre Jacke auf und sah sich um. Warme Farben, zwei große Haken für Jacken und Mäntel, Schuhregal am Boden.
Er nickte. »Du kommst spät«, sagte er.
»Ich musste arbeiten«, sagte sie. »Alles top secret, darf keinem Außenstehenden verraten, woran ich gerade arbeite. Arbeitsethik, weißt du?«
Er nahm die Stiche mit gesenktem Blick entgegen. Es musste sein. Und es tat gut, es auszusprechen.
Sie kickte sich die Stiefel von den Füßen.
»Was schaust du so?«
»Du siehst toll aus.«
»Du bist …« Sie drückte ihren Zeigefinger auf seine Lippen. »Sei still. Wenn du übertreibst, dann glaube ich dir nichts mehr.«
Er schob ihre Hand weg. Zog sie an sich.
Sie schob ihn behutsam zurück. »Jetzt bist du etwas zu schnell.«
Er
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