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Die Komplizin - Roman

Die Komplizin - Roman

Titel: Die Komplizin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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Halskette um, die ihm nicht gehörte. Sally versuchte gerade krampfhaft, mich von jedem Verdacht reinzuwaschen, fast als wollte sie sich bei mir entschuldigen. Dabei wusste ich mit hundertprozentiger Sicherheit, dass ich sie nicht aus ihrem Haus mitgenommen hatte.
    »So was kann wirklich jedem mal passieren«, plapperte sie weiter. »Man greift aus Versehen nach der falschen Kette und legt sie sich um. Ich habe mich schon gefragt, wo sie wohl geblieben ist. Richard wäre bestimmt sehr erstaunt gewesen, wenn er dich damit gesehen hätte. Das wäre lustig gewesen.«
    Ihre Miene aber verriet mir, dass sie das Ganze überhaupt nicht lustig fand. Plötzlich begriff ich. Sally selbst hatte die Kette in Lizas Wohnung liegen lassen. Sally und Hayden. Verblüfft starrte ich sie an. Sie wusste es. Und nun wusste sie auch, dass ich es wusste. Anders konnte es gar nicht sein. Was wusste sie noch über mich? Was vermutete sie? Hatte sie womöglich einen Verdacht wegen Hayden? Wo war er ihrer Meinung nach abgeblieben?
    »Ja«, sagte ich langsam, »wie dumm von mir. Ich habe wohl einfach danach gegriffen, ohne nachzudenken. Du musst in Zukunft ein Auge auf mich haben. Als Nächstes vergesse ich wahrscheinlich meinen eigenen Kopf. Haha. Was für ein Glück, dass du sie gesehen hast. Aber jetzt lass uns mit dem Streichen anfangen.«

    Ich stemmte mit einem Schraubenzieher den Deckel des Farbkübels auf. Sein Inhalt sah weiß aus oder so gut wie weiß, aber aus irgendeinem Grund hieß die Farbe String. Wortlos begannen wir, sie an die Wand zu klatschen. Sally war wohl auch nicht mehr nach Plaudern zumute.
    Sally und Hayden. Hayden und Sally. War es möglich, auf einen Toten eifersüchtig zu sein? Sich rückblickend von jemandem verraten zu fühlen, dessen Leiche man soeben entsorgt hat? Im Grunde hatte ich ja von Anfang an keine großen Illusionen gehabt, was ihn betraf. Wenn irgendwo Musik gemacht wurde, stimmte er ein. Wenn man ihm etwas zu essen anbot, verschlang er es mit einem Heißhunger, der sich nie ganz stillen ließ. Bestimmt war es mit den Frauen das Gleiche. Eine verzweifelte Frau, die sich einsam, vernachlässigt und gelangweilt fühlte  – da musste ein Mann wie er einfach Trost spenden. Er sorgte dafür, dass es ihr wieder besser ging. Dass sie sich wieder einzigartig und lebendig fühlte. Wenn er mit seinen Händen über ihren Körper strich und ihr sagte, wie schön sie war, dann wurde sie tatsächlich wieder schön. Krampfhaft versuchte ich, mir die beiden nicht im Bett vorzustellen, ihre ineinander verschlungenen Gliedmaßen, seinen vertrauten Geruch an ihrem nackten Körper. Sein Lächeln, das sich erst langsam andeutete und dann über sein ganzes Gesicht ausbreitete, ihm Wärme und Herzlichkeit verlieh. Plötzlich fühlte ich mich vor Trauer wie gelähmt, so dass ich einen Moment innehalten musste, obwohl ich den tropfenden Farbpinsel in der Hand hielt.
    Als ich schließlich wieder begann, Farbe auf die triste beigebraune Oberfläche zu streichen, fragte ich mich, wann das Ganze wohl stattgefunden hatte. Wo war ich währenddessen gewesen? Vielleicht auf dem Musikfestival? Ja, so musste es gewesen sein  – aber hatte er zu dem Zeitpunkt überhaupt schon in Lizas Wohnung gewohnt? Ich konnte mich nicht erinnern. Mein Kopf fühlte sich an wie mit Schlamm verstopft.
Welche Täuschungsmanöver waren nötig gewesen? Ich zermarterte mir das Gehirn, ob Sally zu mir jemals etwas über Hayden gesagt hatte, oder Hayden über Sally. So oder so war meine Eifersucht auf eine dumme, teuflische Weise unangebracht, denn welches Recht hatte ich, mich von den beiden verraten zu fühlen? Welches Recht, in so vielerlei Hinsicht?
    Und was wusste Sally? Wusste sie von Hayden und mir? Höchstwahrscheinlich schon, es sei denn, sie verdrängte es mit aller Macht.
    Die klebrige Konsistenz der Farbe hatte etwas Wohltuendes. Jedes Mal, wenn ich den Pinsel hineintauchte und dann rasch drehte, damit er nicht tropfte, war ein schmatzendes Geräusch zu hören. Am liebsten hätte ich beide Hände in den Eimer geschoben und die Farbe mit den Fingern an die Wand geschmiert.
    Hayden und Sally. Hayden und ich. Natürlich gab es unter all diesen Fragen etwas ganz anderes, etwas viel Wichtigeres  – eine Art Unterströmung unter den sich kräuselnden Wellen. Die Kette war in Lizas Wohnung gewesen. Wahrscheinlich auf dem Nachttisch. Bevor Sally Ehebruch beging, hatte sie  – vielleicht aus einer Art Aberglauben heraus  – die Kette

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