Die Komplizin - Roman
schwierig?«
»Ich glaube, da ging es allen gleich. Er war nicht bösartig, aber er hat sich von jedem genommen, was er wollte, und ist dann einfach weitergezogen. Damit hat er ein paar Leute ganz schön verärgert – wie Sie sicher feststellen werden.«
»Er muss jemanden mehr als verärgert haben«, entgegnete Wade. »Jemand hat ihm den Kopf eingeschlagen und sich dann große Mühe gegeben, die Leiche loszuwerden.«
»Das ist mir auch schon durch den Kopf gegangen«, stimmte ich ihm zu. »Ich kann mir das nicht erklären.«
»Hatte er Geldprobleme?«, fragte DI Wallis.
»Natürlich hatte er die«, antwortete ich. »Er war schließlich Musiker. Alle Musiker sind mehr oder weniger pleite. Außer Sting und Phil Collins.«
»Führte das zu Konflikten?«
»Bei ein paar von den Namen, die ich Ihnen genannt habe, handelt es sich um Leute, mit denen er Musik machte. Soweit ich weiß, gab es irgendeinen Streit wegen Geld. Die Betreffenden werden Ihnen sicher davon erzählen.«
»Einen ernsten Streit?«
»Alle Bands machen mal so was durch. Dabei geht es immer ums Geld. Entweder es kommt nicht an oder gerät in die falschen Hände oder wird einfach irgendwie verplempert. Das ist ganz normaler Bandalltag. Wir reden hier nicht von der Mafia. Kein Grund, deswegen jemanden umzubringen.«
»Sie werden gar nicht glauben, weswegen Menschen morden«, meinte DI Wade. »Da geht es oft um Dinge, die es eigentlich gar nicht wert sind.«
»Was für eine sinnlose Verschwendung«, brach ich das kurze Schweigen.
DI Wallis blätterte ein weiteres Mal ihre Notizen durch, als suchte sie etwas Bestimmtes. Dann sah sie mich an.
»Haben Sie ihn gemocht?«
»Gemocht?«
»Ja«, antwortete sie. »Haben Sie ihn gemocht?«
Ihre einfache Frage zog mir komplett den Boden unter den Füßen weg.
»Für jemanden wie Hayden scheint mir das nicht das richtige Wort zu sein«, sagte ich schließlich. »Es klingt zu normal.«
Ich hatte das Gefühl, bereits zu viel preisgegeben zu haben. Ich war der Wahrheit zu nahegekommen.
Nachdem sie gegangen waren, rief ich sofort Sally an. Ich fürchtete mich vor dem Gespräch, doch wider Erwarten ging Richard ran. Er erklärte mir, Sally und Lola seien für eine Weile zu ihrer Mutter gefahren. Auf meine Frage, wann sie denn zurückkomme, antwortete er mir, das wisse er nicht. Er hörte sich sehr niedergeschlagen an. Allein schon der Klang seiner Stimme bewirkte, dass ich mich richtig mies fühlte. Ich wusste, warum Sally weg war, und vermutlich wusste er, dass ich es wusste, doch wir sprachen beide nicht darüber.
Als ich hinterher versuchte, Sally auf dem Handy zu erreichen, ging nur ihre Mailbox an. Ich hinterließ ihr die Nachricht, dass ich jederzeit für sie da sei, wenn sie mit mir reden wolle. Das war das Mindeste, was ich tun konnte.
Davor
Als wir am Abend nach unserem Ausflug ans Meer zusammen in Lizas Bett lagen, brannte unsere Haut von der Sonne. Müde und erschöpft küssten und liebten wir uns. Hinterher blieben wir eng umschlungen liegen. Ich schlief halb ein, und als ich wieder erwachte, blickte er mich an. Vielleicht spielte es gar keine Rolle, wie lange das mit uns noch ging. Wir hatten Sommer. Was im Sommer geschah, war wie ein Traum. Losgelöst von allem, gehorchte es seinen eigenen Regeln. Ich durfte mich ruhig bis September in dieser Sache verlieren – bis die Arbeit und das wahre Leben wieder begannen.
Danach
Ich bahnte mir einen Weg durch den Camden Market, indem ich mich zwischen den Punks hindurchzwängte, die mit ihren Irokesenfrisuren wie Karikaturen aussahen, und dann an Gruftis und Touristen vorbeischob. Nats Wegbeschreibung entpuppte sich als ziemlich ungenau, weshalb ich eine Weile brauchte, bis ich den Treffpunkt fand. Dort musste ich dann erst nach ihm Ausschau halten, ehe ich ihn schließlich in einiger Entfernung entdeckte. Er lehnte an einem Poller in der Nähe des Kanals. Beim Näherkommen sah ich, dass Jan bei ihm war. Letzterer stand in jener typischen, leicht gebückten Haltung da, die man bei hochgewachsenen Menschen oft sieht. Als hätten sie einen zu großen Teil ihres Lebens damit verbracht, in niedrigen Räumen den Kopf einzuziehen.
»Wo bleibst du denn?«, fuhr Nat mich an.
»Tut mir leid. Als ich aufbrechen wollte, standen zwei Leute von der Polizei vor der Tür.«
»Lieber Himmel!«
»Warum wolltest du mich sehen? Hat das einen bestimmten Grund?«
»Ein Freund von uns ist gerade aus einem Stausee gezogen worden«, antwortete Nat.
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