Die Komplizin - Roman
Die Frage kam von Joy Wallis.
»Mehr oder weniger.«
»Warum?«
»Einfach so. Wir wollten nicht, dass die Leute Bescheid wussten – und falsche Schlüsse zogen.«
»Zum Beispiel den Schluss, dass Sie beide ein Paar waren?«
»So in der Art.«
»Es wusste also niemand davon.«
»Ich schätze mal, Jan und Nat wussten es. Die Typen aus
seiner Band. Sie wussten, dass wir … dass zwischen uns etwas lief.«
»Dieses etwas .« Wade sprach das Wort ganz vorsichtig aus, als handelte es sich dabei um eine genaue Beschreibung dessen, was sich zwischen Hayden und mir abgespielt hatte. »War es noch im Gange, als er starb?«
»Vermutlich.«
»Wie bitte? Sie vermuten es?«
»Es war noch im Gange.«
»Wo haben Sie sich getroffen?«
»In meiner Wohnung. Oder in seiner. Eigentlich gehört sie einer Freundin von mir, die zurzeit verreist ist – aber das habe ich Ihnen ja schon gesagt.«
»Kam es zwischen Ihnen zu Streitigkeiten?«, meldete Joy Wallis sich erneut zu Wort. Ihre Stimme klang weicher als die von Wade, und im Gegensatz zu ihm sah sie mich nicht an, wenn sie mir eine Frage stellte, sondern blickte auf ihr Notizbuch hinunter, ohne irgendetwas aufzuschreiben.
Ich war bei ihren Worten leicht zusammengezuckt. Einen Moment lang sah ich Haydens Faust auf mein Gesicht zukommen. Mittlerweile starrten mich beide Detectives erwartungsvoll an. Ich hatte das Gefühl, als finge der längst verblasste Bluterguss an meinem Hals erneut zu pochen an. Bestimmt konnten sie es sehen oder spüren.
»Nein. Natürlich haben wir uns hin und wieder angefaucht. Sie wissen schon, was ich meine.«
»Nein, das weiß ich eigentlich nicht. Erklären Sie es mir ein bisschen näher.«
»Er war nicht besonders ordentlich.«
»Sie haben sich gestritten, weil er keine Ordnung hielt?«
»Manchmal. Gestritten ist fast schon zu viel gesagt.«
»War er Ihnen treu?«
»Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich nicht seine Freundin war. Er hatte gar keinen Grund, treu zu sein.«
»Demnach war er es also nicht.«
»Das Wort ist in seinem Fall völlig unangebracht.«
»Es gab andere Frauen?«
Ich musste an Sally denken, die er erst in seinen Bann gezogen und dann verlassen hatte. »Keine Ahnung«, antwortete ich.
Wir kauten noch eine ganze Weile auf diesem Thema herum. Im Raum herrschte eine derart drückende Hitze, dass mir langsam der Kopf dröhnte. Ich hatte schweißnasse Hände. Da fragte DI Wade plötzlich: »Besaß Mr. Booth ein Auto?«
»Ja.« Meine Antwort klang wie ein Krächzen. Ich schlang die Finger ineinander und versuchte, meiner Stimme mehr Festigkeit zu verleihen. »Er besaß ein Auto. Ich bin einmal mit ihm mitgefahren.« Das sagte ich für den Fall, dass trotz der Reinigung des Innenraums Spuren von mir zurückgeblieben waren.
»Erinnern Sie sich an die Marke?«
»Er war blau. Mehr weiß ich nicht mehr. Alt und blau.«
»Ein blauer Rover, dreizehn Jahre alt.« Er warf einen Blick in seine Unterlagen und las mir auch noch das Kennzeichen vor.
»Ja, kann sein.«
»Wissen Sie, wo er ihn parkte?«
»Vor Lizas Wohnung, die ja vorübergehend die seine war.«
»Verstehe.« Er lehnte sich zurück und verschränkte die Hände im Nacken. »Ich erzähle Ihnen jetzt mal etwas über den Wagen, Miss Graham. Mittlerweile steht er nämlich nicht mehr vor seiner Wohnung.« Ich murmelte irgendetwas Unverständliches. »Er wurde in Walthamstow gefunden, wo ihn jemand am Sonntag, dem dreißigsten August, in der Fountain Road im Halteverbot geparkt hat.« Erneut warf er einen Blick in sein Notizbuch. »Der Strafzettel wurde um sieben nach drei ausgestellt, und zwanzig Minuten später schleppte man das Fahrzeug ab.«
Nun folgte eine längere Pause.
»Jemand muss ihn gestohlen haben«, sagte ich schließlich.
»Der Schlüssel steckte noch.«
»Und?«
»Finden Sie das nicht seltsam?«
»Ich möchte wirklich nicht unhöflich klingen«, erwiderte ich, »aber was spielt es für eine Rolle, wie ich das finde?«
»Haben Sie eine Ahnung, wo sich der Wagen davor befand?«
»Nein.«
»Er stand am Flughafen Stansted, auf dem Langzeitparkplatz.«
»Wie ist er denn dahin gekommen?«
»Er wurde am zweiundzwanzigsten August kurz nach vier Uhr morgens dort abgestellt. Der Fahrer trug einen Schal um den Kopf und eine Sonnenbrille, obwohl es zu dem Zeitpunkt noch stockfinster war.«
»Glauben Sie, dass es Hayden war?«, fragte ich.
»Vermutlich nicht. Wir gehen davon aus, dass eine Frau am Steuer saß.«
»Aha«, sagte ich.
»Eine
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