Die Konkubine des Erzbischofs
Magdalena seine Aufwartung machen zu müssen.
»Eure Heiligkeit«, sprach er sie an, nachdem er von ihr eine Frühaudienz erhalten hatte. Für ihre heiligen Audienzen, die inzwischen häufig nachgefragt wurden, hatte Magdalena einen kargen Raum im weißen Hause herrichten lassen, der nichts enthielt als zwei harte Stühle und ein schlichtes Kreuz des Herrn an der Wand.
»Die Bürger der Stadt sind zutiefst ergriffen von Eurer Kraft und Eurer hohen Frömmigkeit, der die gerechte Gnade Gottes zuteil wird. Und da Ihr nun den Schritt vollzogen habt, Euch von dem unwürdigen Tyrannen zu befreien, so ist es uns ein Herzensanliegen zu erfahren, in welcher Weise Ihr die Befreiung aller Bürger unterstützen wollt.« Dergestalt erfuhren wir, dass Wilbert trotz der Friedenspflicht während der laufenden Schlichtung weiter Händel mit dem Erzbischof suchte.
»Wenn wir sagen«, antwortete Magdalena geistesabwesend, »der Wolf raube die Gans, gestehen wir ihm dann nicht die vernünftige Seele zu, die Schuld auf sich zu laden imstande wäre? Wenn wir das tun, müssten wir aber nicht auch sein Eigentum respektieren, sein Jagdrevier? Misshelligkeiten entstehen, wenn das ungeachtet bleibt, was vor Gott gerechtfertigt ist. Gott aber sagt uns, was rechtmäßig ist, durch das Licht, das unsere Vernunft ist.«
»Eure Rede«, bemerkte Wilbert verwirrt mit seiner unangenehm kreischigen Stimme, »ist sicherlich sehr heilig, aber auch wenig verständlich. Was die Bürger zu wissen begehren, ist, auf welcher Seite Ihr steht!«
»Fest stehe ich an der Seite von Christus und seiner seligen Mutter, der seligsten unter allen Müttern und Frauen. Für nichts anderes ist Platz an einer meiner Seiten, denn ich habe nur diese eine Seite.«
»Es gibt kein Zurück, kein Zögern und kein Wenn und Aber. Steht doch geschrieben: Deine Rede sei Ja, Ja und Nein, Nein, alles andere ist von Übel. Darum werdet Ihr nicht umhin können, Euch eindeutig zu äußern.« Es schien jetzt so, als ließe sich Wilbert von seiner eigenen Rede immer mehr in Begeisterung steigern. »Seid Ihr für den Tyrannen oder gegen ihn? Werdet Ihr auf der Seite der Bürger stehen oder auf der Seite des Unrechts? Denn die Zeit der Entscheidung ist reif. Es gibt kein Zurück, sondern nur ein Vorwärts, ein Vorwärts zum Siege für die Sache der Bürger von Köln.«
Magdalena ließ sich nicht beeindrucken. »Ihr meint nicht, dass zum Beispiel der Bürgerin Paulina ihre augenblicklichen Zahnschmerzen viel mehr Kummer bereiten als die Frage nach dem schnöden Mammon?«
»Für die Zahnschmerzen ist Gott allein zuständig. Für den Mammon, wie Ihr es beliebt zu nennen, ist der Tyrann verantwortlich.« Wilberts Stimme war nun sehr fordernd. Offensichtlich fühlte er sich, als spräche er zu einer Menge.
»Darum betet Paulina auch zu ihrem Herrn, sie von den Zahnschmerzen zu befreien, und ist nicht bei Euch, um den Tyrannen zu bekämpfen, wie Ihr Konrad, das rechtmäßige Oberhaupt von uns Christen, meint nennen zu sollen.« Magdalena blieb ungerührt. Mich verwunderte ihre Treue zu Konrad, die sie dergestalt ausdrückte. Ich begann zu fürchten, dass sie gar nicht mehr ernsthaft vorhatte, mit El Arab zu ziehen.
»Seine Rechtmäßigkeit als geistliches Oberhaupt stellt kein Bürger in Frage, wohl aber seine Taten als Fürst von Köln, die ihn zum Tyrannen werden lassen, einem abergläubischen zudem – das ist, wie Ihr mir zugeben müsst, eines christlichen Oberhauptes unwürdig«, ereiferte sich Wilbert. »Aber nicht wir sind verantwortlich für diese Unwürdigkeit, sondern er.«
»Gott hat mir die Kraft gegeben zu heilen. Gott hat mir die Kraft gegeben, demütig vor ihm zu sein. Gott hat mir die Kraft gegeben, für meine weißen Frauen zu sorgen. Gott hat mich nicht beauftragt, einen Tyrannen zu stürzen.« Magdalena war nicht zu bewegen.
»Nun nehmt diesen ehrenvollen Auftrag, so bitte ich Euch, von den Bürgern der Stadt Köln an«, beharrte Wilbert immer noch.
»Ich stehe ganz im Dienste unseres Herrn Jesus Christus. Von jemandem anderen Aufträge anzunehmen, wäre ein Ungehorsam, dessen ich mich nicht schuldig machen möchte«, schloss Magdalena.
Jäh wandte Wilbert sich zum Gehen. Es fiel kein weiteres Wort mehr zwischen ihnen.
»Damit«, sagte El Arab besorgt, aber wohl auch verletzt wegen ihres offenkundigen Eintretens für Konrad, »hast du dir einen mächtigen Feind geschaffen.«
»Nein, mein Liebster, ich habe nicht mir einen Feind geschaffen, sondern es hat sich uns
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