Die Konkubine
tatsächlich, Mitglied eines chinesisch-deutschen Rings von Waffenschiebern zu sein. Nun, wenigstens wusste er jetzt, woran er war. «Es gibt nicht viele Kontakte außerhalb der Dienstzeit, außer zu Tang. Er ist mein Lehrer, und wir verstehen uns gut, sonst nichts. Das Land interessiert mich einfach.» Und das Lernen machte die endlosen einsamen Stunden erträglicher, er vergaß dabei sein Heimweh.
«Für Tang Huimin lege ich meine Hand ins Feuer», mischte sich der Missionar ein. «Er ist ein ehrenwerter junger Mann und kommt aus einer guten Familie. Er würde sich keinesfalls an solchen Geschäften beteiligen. Ebenso wenig kann ich mir vorstellen, dass dieser Mann hier etwas mit den Waffenschiebereien zu tun hat. Wir haben uns ganz gut kennengelernt. Er hat immer wieder bei uns gespielt. Ich halte den Gefreiten Gabriel für einen hochanständigen und intelligenten Menschen, der über den eigenen Tellerrand hinausschaut. Zu intelligent für solche Geschäfte.»
«Danke», antwortete Konrad. Er nahm sich vor, bei nächster Gelegenheit den Rat Wilhelms zu suchen. Vielleicht konnte dieser ihm sagen, wie er sich am besten verhalten sollte. «Exzellenz, ich habe nichts mit diesen Waffenschiebereien zu tun. Ich schwöre es bei meiner Ehre als deutscher Soldat. Denn dessen verdächtigen Sie mich ja wohl. Ich bin kein Krimineller und schon gar kein Vaterlandsverräter.»
Truppel zwirbelte seinen Bart und fixierte den Gefreiten. «Gut. Abtreten. Bis auf weiteres bleiben Sie möglichst in ihrer Kammer im Haus von Fauth.»
«Exzellenz – bin ich vom Dienst suspendiert?»
«Nein, nicht suspendiert. Werden weiter Musik machen. Müssen aber immer wissen, wo Sie stecken. Abgang.»
Konrad salutierte. «Zu Befehl, Exzellenz. Erlauben Exzellenz noch eine Frage?»
«Bitte.»
«Wer hat behauptet, ich hätte etwas mit diesen Waffenschiebereien zu tun? Wer auch immer es ist, er lügt.»
«Sie erwarten doch nicht, dass wir Ihnen darauf eine Antwort geben», konterte Schöller scharf. «Aber seien Sie gewiss, wir werden Sie genau beobachten.»
«Wird sich herausstellen, ob Sie unschuldig sind, Gabriel», erklärte Truppel. «Bis dahin tun Sie Ihre Pflicht.»
Konrad folgte diesem Rat und überlegte gleichzeitig, wie er seine Unschuld beweisen, den Verdacht entkräften könnte. Er musste herausfinden, wer ihn belastet hatte. Und warum. Seltsam, dies alles hatte nach dem Gespräch bei Zhou Fu in Tsinanfu angefangen. Er konnte sich keinen Reim darauf machen. Wo immer er sich mit seinen Fragen auch hinwandte, er stieß nur auf Schulterzucken und eine Mauer des Schweigens.
In der Zwischenzeit verbreitete sich sein Ruf als Trompeter immer weiter. Bei jedem der Promenadenkonzerte musste er das «Behüt Dich Gott» spielen. Insbesondere die Damen konnten nicht genug von diesem melancholischen Liebeslied bekommen, das der Trompeter zum Abschied von dem Mädchen anstimmt, das er sehr liebt. Regelrechte Begeisterungsstürme erntete er, wenn er danach noch «Plaisir d´Amour» erklingen ließ. Da bekamen die Augen vieler Damen einen sehnsüchtigen Ausdruck, manche sangen leise mit: «Plaisir d’amour ne dure qu’un instant; chagrin d’amour dure toute la vie…» – «Die Freuden der Liebe dauern nur einen Moment, die Leiden der Liebe ein ganzes Leben lang.»
Ende September zogen die Soldaten der Marinefeldartillerie in die zweite Reihe der neuen Gebäude der Bismarck-Kasernen um. Nur noch einige Offiziere und ihre Familien blieben im alten Artillerielager, das schon der chinesischen Garnison als Basis gedient hatte. Kurz danach brannte der Dampfer Syria, der einige Maschinenteile für die neue Brauerei an Bord hatte. Doch die schnell eingeleitete Rettungsaktion durch das Hafenamt verhinderte einen größeren Schaden. Der Oktober, der November und der Dezember des Jahres 1903 waren ganz militärischen Übungen gewidmet. Im Marinebericht hieß es später, die Unteroffiziere und Gefreiten der Marinefeldbatterie seien zu Meldereitern ausgebildet worden. Die Matrosenartillerie übte mit den Fünfzehn-Zentimeter-Geschützen der Batterie Tsingtau.
Der Oktober war insbesondere von Manövern des Kreuzergeschwaders geprägt, sämtliche Küstenwerke waren inzwischen auch mit Artillerie besetzt. Im November und Dezember notierte der Schriftführer für den Marinebericht außerdem größere Märsche mit Marschdienst und Felddienst, für den 1. November die Eröffnung der Abteilungsschule für die Unteroffiziere der Matrosenartillerie. Offiziell
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