Die Konkubine
waren dies alles Routineübungen und dienten der Vorbereitung der angekündigten Ankunft Ihrer kaiserlichen Hoheit, des Prinzen Adalbert.
Die Gerüchteküche wollte indessen nicht aufhören zu brodeln. Die Hinweise verdichteten sich, dass sich bei den Japanern etwas tat, dass sie möglicherweise eine größere Offensive vorbereiteten. Noch immer gab es aber nichts Definitives. Und am 13. November erschossen sich zwei Sergeanten der Marinefeldbatterie. Der Marinebericht verkündete dazu knapp unter diesem Datum: «Bei dem einen trat der Tod sofort ein, der andere starb nach einigen Stunden, ohne dass das Bewusstsein zurückgekehrt war.» Motive für den Selbstmord wurden nicht genannt.
Ferner meldete der Marinebericht in die Heimat: Die Truppen hatten eine durchschnittliche Kopfstärke von 1857 Mann, es gab 156 Kranke – weniger Ruhr, zahlreiche Darmkatarre, vier Fälle von Darmtyphus. Sowie: «Die Zahl der Geschlechtskrankheiten ist immer noch verhältnismäßig hoch.»
In all diesen Wochen hatten sich Konrad und Mulan nur einmal getroffen. Und er wusste noch immer nicht, wie er sich von dem Verdacht reinwaschen konnte, etwas mit den Waffenschiebereien zu tun zu haben. Aus der Entwicklung der Dinge schloss er allerdings, dass es bisher keine konkreten Beweise gegen ihn gab, sonst hätten sie ihn bestimmt bereits verhaftet. Er schlief dennoch schlecht in dieser Zeit, rechnete jede Nacht damit, dass sie ihn abholten.
Kapitel 13
«KOMMEN SIE, gehen wir ein Stück, ich habe noch Zeit, ehe ich zum Bahnhof muss.» Richard Wilhelm wandte sich von der Tsingtau-Brücke in Richtung Osten. Die beiden Männer wollten die Ufer-Sandstraße entlanggehen.
Konrad Gabriel betrachtete den Missionar von der Seite. Er wusste nicht, wie er das Gespräch beginnen sollte. Wilhelm trug den prächtigen, mit Goldornamenten durchwirkten Rock, die chinesische Mütze und den Mützenknopf aus Bergkristall, das Zeichen für seinen Mandarinsrang. Er wollte an diesem Tag noch nach Weihsien zu einem Kondolenzbesuch. Der kaiserliche General Mei war am 6. Februar gestorben.
«Danke, dass Sie sich noch mit mir getroffen haben. Ich weiß mir einfach nicht mehr zu helfen, ich brauche dringend den Rat eines wohlmeinenden Menschen. Zurzeit habe ich das Gefühl, von lauter Gegnern umgeben zu sein. Da wollte ich das Urteil eines Außenstehenden hören.»
«Was ist geschehen?»
Konrad konnte in den kurzsichtigen Augen hinter der randlosen Brille nur freundliches Interesse entdecken, keinerlei Misstrauen. Der Leiter der Weimarer Mission verhielt sich ihm gegenüber völlig unbefangen. Nicht allen gefiel der Stil Wilhelms. Es hieß, er pflege engen Kontakt mit Chinesen. Einige der Würdenträger der Provinz Schantung zählte er sogar zu seinen Freunden. So wie den verstorbenen General Mei, zu dessen Familie er nun fuhr.
«Es fällt mir schwer, in Worte zu fassen, worum es geht. Es sind nur Hinweise, Eindrücke… Ich glaube, ich werde noch immer verdächtigt, an Waffenschiebereien beteiligt zu sein. Und ich weiß nicht, was ich dagegen tun soll. Es ist so schwer, sich richtig zu verhalten. Wenn ich ständig protestiere, mache ich mich ebenso verdächtig wie durch Schweigen.»
«Sie scheinen sich einsam zu fühlen.»
Konrad schaute aufs Meer, das wie eine Scheibe in der Wintersonne glitzerte. Es war ein traumhafter Tag. Der scharfe Nordostwind der letzten Woche war abgeflaut. Der Dunst, der morgens vom Meer aufstieg, hatte sich aufgelöst. Die Zacken der Perlenberge jenseits der Bucht wirkten dunkel gegen das klare Blau des Himmels und das Gleißen des Wassers. Der Wind trieb das Geräusch der Bauarbeiten am Großen Hafen im Norden der Stadt bis zu ihnen: Hämmer, die auf Eisen schlugen, Pfähle, die in den Meeresboden gerammt wurden. Bald würden die ersten Schiffe an der Mole Eins anlegen.
«Ja, so ist es. Ich weiß nicht mehr, wem ich trauen kann. Bitte glauben Sie mir, ich habe nichts mit diesen illegalen Waffengeschäften zu tun. Ich bin nur ein Kaufmann in der Uniform eines Soldaten. Ich will nur meine Zeit in China mit Anstand hinter mich bringen und dabei etwas über Land und Leute lernen, sonst nichts.»
«Stellen Sie Ihr Licht nicht so unter den Scheffel. Sie sind außerdem ein talentierter Musiker. Sind Sie denn sicher, dass Sie noch immer verdächtigt werden?»
«Das ist es ja, ich weiß es nicht genau. Manchmal denke ich ja, manchmal nein. Niemand sagt etwas Konkretes, aber Fauth und einige der Kameraden benehmen sich seltsam.
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