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Die Konkubine

Die Konkubine

Titel: Die Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gabriel
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Gespräche verstummen, sobald ich auftauche.»
    Sie waren inzwischen auf Höhe des Yamen. Gegenüber lagen die provisorischen Geschäftsräume der Baudirektion. Sie überschritten die Brücke und folgten dem Auguste-Viktoria-Ufer.
    «Ich denke, Sie müssen sich keine Sorgen machen», erwiderte Wilhelm schließlich. «Außerdem dachte ich, nach dem Selbstmord der beiden Sergeanten sei die Sache geklärt.»
    «Mir hat niemand etwas darüber gesagt.» Konrad hatte trotz des Stampfens und Fauchens der Maschinen keinen Blick für das Dampfsägewerk von Rheinhard & Röper. Das Aufheulen der Sägeblätter vereinigte sich mit dem Hämmern und den Menschenstimmen, die aus der Marinewerkstatt zu den beiden Männern drangen. Das ergab eine Melodie, die in diesen Zeiten für Tsingtau typisch war, eine Geräuschkulisse, die kaum noch jemand bewusst wahrnahm. Überall wurde gehämmert, gewerkelt und gebaut. Wer Stille suchte, musste sich auf die Hügel zurückziehen.
    Wilhelm legte an der Marinewerkstatt einen Halt ein und begrüßte einige junge Chinesen, die gerade eine Pause machten. Sie absolvierten dort wahrscheinlich eine Ausbildung als Tischler, Schreiner, Schlosser oder Maschinenbauer. Wilhelm wechselte mit zwei Jugendlichen einige Worte, dann schlenderten sie weiter. Die jungen Männer gingen wieder hinein.
    «Sie dürfen das Schulgelände nur in Begleitung eines deutschen oder chinesischen Lehrers verlassen. Insgesamt nimmt die Fachschule für die vierjährige Ausbildung hundert junge Leute zwischen 14 und 20 Jahren auf», erfuhr Konrad beim Weitergehen. «Neben der praktischen Ausbildung werden sie auch in Deutsch unterrichtet. Außerdem wird Sport großgeschrieben. Die Ausbildung ist beliebt. Immerhin verdienen die Lehrlinge nach der ersten Grundausbildung Geld, mit dem sie ihre Familien unterstützen können. Ich glaube dreißig Cent am Tag. Davon wird ihnen allerdings die Hälfte für Kost und Logis abgezogen.»
    Wilhelm machte eine Pause.
    «Meines Wissens ist inzwischen klar, dass dieser verschwundene Braumeister, die beiden Sergeanten und einer der Bergwerksingenieure bei der Geschichte die Finger im Spiel hatten», fuhr er dann fort. «Allerdings konnte Schöller nicht herausfinden, für wen die Waffenlieferungen bestimmt waren. Die beiden Soldaten haben offenbar nicht geredet, bevor sie sich umbrachten. Mit ihrem Selbstmord ist die Sache aber abgeschlossen. Es wurden keine weiteren Waffenlager gefunden und auch keine neuen Lieferungen entdeckt.»
    «Weshalb sind Sie sich da eigentlich so sicher?»
    «Nun, ich habe vorgestern ein Gespräch zwischen Konteradmiral von Prittwitz und Gouverneur Truppel mit angehört. Es gab einen kleinen Empfang für unseren neuen Geschwaderchef von Prittwitz. Erinnern Sie sich? Er ist Anfang Februar mit seinem Flaggschiff Fürst Bismarck im Hafen vor Anker gegangen. Sie müssen seine blaue Admiralspinasse gesehen haben. Nun, das war jedenfalls die Version der Geschichte, die Truppel dem Konteradmiral erzählt hat.»
    «Dann verstehe ich nicht, warum niemand etwas gesagt hat.»
    «Vielleicht, weil alle dachten, das ist Ihnen sowieso klar. Haben Sie mit Fauth erneut über die Angelegenheit gesprochen? Soweit ich weiß, hält er große Stücke auf Sie.»
    «Nein, ich… Nein, das habe ich nicht.»
    «Na, dann müssen Sie ja ein ziemlich trauriges Weihnachten und ein noch traurigeres Silvester hinter sich haben.»
    «Ja, das stimmt. Es ist schwer, in meiner Lage festliche Gefühle zu entwickeln.»
    «Habe ich Sie nicht neulich zum Gottesdienst eilen sehen?»
    «Ja. Ich dachte nicht, dass ich Ihnen bei all den vielen Menschen auffallen würde.»
    «Sind Sie Katholik?»
    Konrad Gabriel schüttelte den Kopf. «Nein, ich bin protestantisch getauft.»
    «Wie die meisten hier. Machen Sie sich nicht so viele Gedanken. Ich bin überzeugt, das ist unnötig. Ich glaube, wir müssen zurück, sonst verpasse ich noch meinen Zug.»
    Eine Weile gingen die beiden Männer schweigend nebeneinander her. Zum ersten Mal seit Wochen war Konrad etwas leichter ums Herz. Er hoffte, dass Wilhelm mit seiner Einschätzung der Situation richtig lag. «Darf ich Sie noch etwas fragen?», begann er schließlich das Gespräch erneut.
    «Nur zu.»
    «Warum sind Sie Missionar geworden? Man sagt, dass Sie niemals versuchen, einen Chinesen zu bekehren.»
    Wilhelm lachte. «Warum auch? Welche Argumente hätte ich schon dafür? Dieses Land hat selbst eine großartige alte Kultur, so voller Weisheit. Und die Vorbilder, die

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